Berlin
"Zu Hause applaudiert dir niemand"

Der US-amerikanische Komponist Randy Newman über sein Alter, das neue Album sowie über Trump und Putin

10.08.2017 | Stand 02.12.2020, 17:39 Uhr

Berlin (DK) Ein gemütlicher älterer Herr mit Bauch, Brille und - wie sich schnell herausstellt - ordentlich Schalk im Nacken empfängt in seiner Suite im Berliner "Schlosshotel Grunewald". Randy Newman, inzwischen 73 Jahre alt, zählt seit fünf Jahrzehnten zu den weltweit herausragenden Singer/Songwritern. Seine Alben sind legendär, und zahlreiche seiner Lieder, etwa "You've Got a Friend", "Short People" oder "You Can Leave Your Hat On", wurden, teils in der Version anderer Musiker, zu Evergreens. Jetzt hat der sechsfache Grammy-Gewinner nach langen Jahren, in denen er vordringlich als Soundtrack-Komponist für Animationsfilme wie "Cars 3" gearbeitet hat, mal wieder ein neues Album gemacht, es heißt "Dark Matter".

Mr. Newman, Ihr neues Album klingt bemerkenswert fröhlich.

Randy Newman: Ja, nicht wahr. Es ist sogar total fröhlich. Und das, obwohl es "Dark Matter" heißt. Die Platte ist ausgelassen, munter und verspielt. Auch wenn es zwei wirklich traurige Lieder darauf gibt, so ist das meiste eben alles andere als dunkel. Ich darf sagen, dass ich recht stolz auf dieses Album bin.

 

Worauf insbesondere?

Newman: Dass mir ein echt gutes Werk spät in meiner Karriere gelungen ist. Dass ich nicht nachgelassen habe. Mein Biss ist noch voll da. Denn ich habe mir natürlich Gedanken und Sorgen gemacht, ob ich noch so scharf und treffsicher bin wie früher als jüngerer Mann. Eine Sache hat sich allerdings verschlechtert: Man bekommt nicht mehr so viele Geschenke beim Schreiben. Ich muss mich mehr bemühen, etwas härter arbeiten. Ich kann nicht mehr bloß am Piano sitzen und warten, dass die Ideen anklopfen.

 

Haben Sie deshalb neun Jahre für "Dark Matter" gebraucht? Oder wegen Ihrer Soundtrack-Arbeit für Animationsfilme?

Newman: Nein, das sind beides lahme Ausreden. Ich habe einfach eine schlechte Arbeitsmoral. Ich arbeite nicht so gerne. Ja, ich bin faul. Bei der Filmmusik muss ich mich zusammenreißen, denn wenn die Musik nicht fertig ist, kann der Film nicht anlaufen. Bei meinen eigenen Alben fehlt mir leider dieser Druck. Ich sollte aber wirklich schneller werden, sonst bin ich beim nächsten Mal 80.

 

Sie sind ja ohnehin in einem Alter, in dem man nicht mehr arbeiten müsste.

Newman: Ich weiß. Das ist aber auch keine Lösung. Ich sehe tatsächlich kaum einen Künstler in meinem Alter, der sich zur Ruhe gesetzt hat. Warum auch? Zu Hause applaudiert dir niemand. Es ist ein Privileg, für Leute zu spielen, die Geld dafür bezahlen, dich zu sehen. Und manchmal bin ich einfach gerne mal weg von zu Hause. Unterwegs zu sein ist übrigens gut für meine Ehe. Ich merke an den SMS meiner Frau, dass sie mich vermisst. Sie ist viel netter, wenn ich nicht da bin.

 

Handelt das Stück "She Chose Me" von Ihnen und Ihrer Frau?

Newman: Ja. Alles, was ich in dem Lied sage, ist wahr. Meine beiden Ehefrauen waren und sind deutlich attraktiver als ich. Meine erste Frau war Deutsche, Roswitha aus Düsseldorf, eine tolle Person.

 

Was reizt Sie bei Frauen? Schönheit? Intellekt?

Newman: Kompatibilität. Der Sinn für Humor. Ich mag es, wenn mich jemand zum Lachen bringt und wenn jemand gerne lacht. Ich bin im Alltag ziemlich lustig, wissen Sie. Humor und Komik sind meine treuen Begleiter. Natürlich auch in meinen Songs. Manchmal scheint meine Musik ja sehr ehrfürchtig zu sein. Aber viele Songs sind wirklich auf derbe Weise witzig.

 

So wie "Putin". Fast hat man den Eindruck, Sie hätten einen kleinen Narren an dem Mann gefressen. Sie singen: Wenn er sein Shirt auszieht, wünschten Sie sich, eine Frau zu sein.

Newman (lacht): Ich finde seine Fotos mit nacktem Oberkörper umwerfend. So etwas machen doch sonst nur Teenager. Der Ton des Songs ist in der Tat ein befürwortender, ihm zugewandter. Ich wollte ihn menschlich machen, ihn auch mal Zweifeln zuschreiben.

 

Kommt Putin eventuell zu sympathisch rüber?

Newman: Nein, ich denke nicht. Ich spreche auch die Kriege an, die er führt, und verschweige seine miesen Seiten nicht. Es ist allerdings richtig, dass ich ursprünglich vorhatte, ein härteres Bild von ihm zu zeichnen. Den "Putin"-Song mag ich übrigens am liebsten vom Album. Das Orchester, die Arrangements, der hintersinnige Witz, vielleicht werde ich doch immer besser (lacht).

 

Ist der Albumtitel "Dark Matter" eigentlich als typische Newman-Ironie zu verstehen?

Newman: Nein, eher als typische Newman-Notlösung. Erst wollte ich es "The Great Debate" nennen, dann ging der ganze Politikmist los, und mit dem Titel hätte ich Erwartungen geschürt, die ich weder hätte erfüllen können noch wollen.

 

Wo ist überhaupt Donald Trump? Kam er zu spät, um ihn noch mit einem Song zu berücksichtigen?

Newman: Nein, er kam noch rechtzeitig. Ich hatte überlegt, aber ich wusste nicht, was ich zu ihm sagen sollte. Ich schrieb einen Song, der von Trumps Penis handelt, der war mir jedoch nicht lustig genug. Er ist so schrecklich vulgär. Ich fand ihn geradezu nicht würdig, um noch ein Lied über ihn zu machen. Was soll man auch schreiben? Gerade hatte ich doch noch eine Idee: Ich schreibe ein Lied in Form eines Briefes, gerichtet an ihn von seiner Tochter Ivanka. Ich schreibe den mal fertig und gucke, ob er gut genug ist. Vielleicht wäre das auch was für ein Mädchen wie Lorde.

 

Glauben Sie, der Präsident liebt sein Land?

Newman: Nein. Nur selektiv. Er mag die Leute, die ihn gewählt haben. Er liebt sich selbst. Trump wirkt auf mich so unsicher, wie man nur sein kann.

 

Sie sagten einige Zeit vor der Wahl, dass er es nicht ins Weiße Haus schaffen werde.

Newman: Ja. Ich lag krass daneben. Es schien mir unvorstellbar. Ich schrieb für mein vorheriges Album "Harps And Angels" den Song "A Few Words In Defense Of Our Country" über die damalige Bush-Regierung. George W. Bush war ein wirklich schlechter Präsident. Aber dieser jetzt? Lässt Bush plötzlich wirken wie eine Lichtgestalt.

 

Zurück zu Ihnen. Finden Sie es ironisch, dass jemand, der so erwachsene Musik macht wie Sie, ausgerechnet als Komponist von Trickfilmen großen Erfolg hat?

Newman: Ja. Ist es. Doch ich bin dankbar für diese Arbeit. Bei Filmmusik gibt es keine Worte, man geht grundlegend anders vor. Wenn die Charaktere laufen, dann läufst du mit der Musik einfach mit. Ein Soundtrack ist gefällig, diese Musik tut niemandem weh.

 

Sie haben sehr viele Klassiker geschrieben. Wie muss man es anstellen, damit ein Lied berühmt wird?

Newman: Man muss Songs komponieren, die gefällig sind. Hätte ich möglichst viele Hits haben wollen, dann hätte ich mehr Stücke wie "Feels Like Home" geschrieben, das mögen die Menschen sehr gern. Ich selbst finde es ja gar nicht so spannend, weil es nicht von Charakter vorangetrieben wird, der Song ist quasi unbewohnt. Balladen gehen auch immer gut, "Marie", "Everytime It Rains". Die Leute schätzen geradlinige Liebeslieder. Ja, sogar meine eingefleischten Fans finden die lieblichen Lieder, die aufs Massenpublikum zielen, am besten. Banausen (lacht).

 

Das Interview führte

Steffen Rüth.