Berlin
Zwischen Wahn und Wirklichkeit

Im sechsten Fall des Berliner "Tatort"-Teams Rubin und Karow geht es um Reproduktionsmedizin und Ethikfragen

08.12.2017 | Stand 02.12.2020, 17:06 Uhr

In einem ausgebrannten Transporter liegen die verkohlten Reste eines Toten. Nina Rubin (Meret Becker) und Robert Karow (Mark Waschke) ermitteln. Suchen sie einen Serientäter - Foto: Muehle/rbb

Berlin (DK) Berlin hat viele Gesichter. Eines, das man nicht so kennt, zeigt der neue "Tatort: Dein Name sei Harbinger". Denn neben den beiden Kommissaren Nina Rubin (Meret Becker) und Robert Karow (Mark Waschke) und dem titelgebenden Eigenbrötler namens Harbinger spielt die Stadt eine wesentliche Rolle in diesem sehenswerten Krimi. Der Film führt in Berlins Unterwelt unter dem Alexanderplatz und die Steglitzer Schlossstraße sowie für den Showdown in eine verlassene Eisengießerei. Die Kamera fängt mit starken Bildern pulsierende und triste Ecken der Metropole ein.

In einem ausgebrannten Transporter liegt ein Toter. Besser gesagt das, was von ihm übrig ist. Rubin und Karow stoßen schnell auf drei ältere Fälle mit ähnlichem Tathergang, die nie aufgeklärt wurden. Eine Spur führt nach Berlin-Wannsee: Alle Opfer wurden mit Hilfe einer In-vitro-Fertilisation in einer Kinderwunschklinik gezeugt. Geschäftsführerin Dr. Irene Wohlleben und ihre Laborchefin und Lebenspartnerin haben die Leitung der Klinik längst an Irenes Sohn Stefan übergeben. Er kam in den 80er-Jahren als eines der ersten Retortenbabys zur Welt.

Dann stoßen die Ermittler auf einen Einzelgänger namens Harbinger. Der hat als Jugendlicher einen Anschlag auf Irene Wohlleben verübt, heute hat er einen Schlüsseldienst in der Berliner U-Bahn-Station am Alexanderplatz. Harbinger hieß früher Lothar, er lebt in einem Wahnsystem und kämpft gegen eine gigantische Weltverschwörung. Karow will das Vertrauen des Mannes gewinnen, ihn aus der Reserve zu locken. Und Kommissarsanwärterin Anna Feil macht eine unglaubliche Entdeckung in eigener Sache. Sehr verschachtelt und spannend erzählen Michael Comtesse und Matthias Tuchmann diesen Krimi über Wahnwelten und die Folgen der Reproduktionsmedizin. Die beiden gehören zum Schreibkombinat Klinke, einem Zusammenschluss von Drehbuchautoren, die unter anderem auch für den preisgekrönten "Tatort: Im Schmerz geboren" verantwortlich zeichnen. Besondere Tragik: Tuchmann verstarb Ende 2016 mit nur 42 Jahren.

Inszeniert wurde der Film von einem echten Kenner und Könner: Florian Baxmeyer hat schon mehr als ein Dutzend Krimis der Reihe gedreht (die meisten mit der Bremer Kommissarin Lürsen). Sein erster Berliner "Tatort" ist konzentriert, dicht und physisch nah an den Charakteren. Das Privatleben der beiden Kommissare, das in den ersten fünf Folgen wesentlich mehr Raum eingenommen hat, rückt diesmal nach hinten. Es findet eher beiläufig statt. Das ist gut für die Geschichte. Für die findet Baxmeyer originelle Bilder, setzt auf lange Einstellungen, weniger Schnitte und gutes Timing.

Die Figur des Harbinger - dieser Mensch, der in seiner eigenen Welt gefangen ist, sich ständig verfolgt fühlt, glaubt, er könne die drohende Apokalypse abwenden und nicht merkt, dass er nur benutzt wir - ist eine exzellente Psychorolle für Christoph Bach. Sein Spiel packt!

 

"Tatort: Dein Name sei Harbinger" läuft am Sonntag um 20.15 Uhr in der ARD.