Berlin
Glaube und unterdrückte Homosexualität

Im ARD-Fernsehfilm "So auf Erden" erlebt ein bibeltreuer Pastor eine schwere Krise

02.10.2017 | Stand 02.12.2020, 17:24 Uhr

Berlin (DK) Dass Edgar Selge ein glänzender Schauspieler ist, dafür gibt es reichlich filmische Belege. Doch in dem ARD-Drama "So auf Erden" setzt er noch eins drauf. Als charismatischer Pfarrer einer freichristlichen Gemeinde, der vor einer schweren Glaubensprüfung steht, als er sich zu dem jungen Streuner Simon hingezogen fühlt, spielt Selge groß auf.

Jeder Blick, jede Geste, jeder Satz, jede Pause, jede Interaktion ist präzise und von enormer schauspielerischer Kraft.

Das Ehepaar Johannes und Lydia Klare leitet gemeinsam eine evangelikale Gemeinde bei Stuttgart. Er ist der leidenschaftliche Prediger, sie schreibt die Texte. Er kümmert sich um Unterstützer für ein neues Gemeindezentrum, sie überwacht die Planung. Als die beiden den drogenabhängigen Straßenmusiker Simon bei sich aufnehmen, ist das geprägt von Nächstenliebe und Barmherzigkeit. Doch die Nähe zu Simon weckt in Johannes seine seit Jugendtagen unterdrückte Homosexualität und stürzt ihn in eine schwere Krise. Verzweifelt nimmt er den Kampf gegen seine angeblich sündige Veranlagung auf. Doch was, wenn Gebete nicht helfen?

Ja, dieses Thema verleitet die beiden Autoren Martin Rosefeldt und Pia Marais (nach einer Idee von Claudia Schreiber, die dabei eigene Erfahrungen einfließen ließ) sowie Regisseur Till Endemann durchaus ein wenig zu religiösem Pathos. Der Film arbeitet auch mit vielen erwartbaren Bildern zwischen Gebeten und Bibelzitaten. Aber er geht nicht inflationär damit um, er erzählt dicht, ruhig und unaufgeregt, bleibt nah an den Figuren, gibt diesen viel Raum. Und er hat starke Schauspieler. Neben Edgar Selge sind dies dessen Frau Franziska Walser, die in "So auf Erden" seine Gattin verkörpert, und der junge Jannis Niewöhner (war gerade erst im ZDF-Dreiteiler "Ale-xander" zu sehen), der diesen Simon bei aller Wildheit der Rolle äußerst behutsam und sensibel spielt.

Im Mittelpunkt des Dramas steht der interessante Gegensatz von Glaube und Religion. Letztere hat klare Regeln und Vorschriften, den Glauben aber muss man sich selbst erarbeiten. Die beiden Protagonisten versuchen den Glauben zu leben, auch als bei ihnen die Religion wegfällt.

"So auf Erden" ist ein eindringlicher Film über Glaube, Nächstenliebe, Selbstbefragung, fundamentalistische Haltung, unterdrückte Homosexualität, Beziehung und verschiedene Lebensmodelle - mit einem famos aufspielenden Edgar Selge.

So auf Erden: ARD, Mittwoch, 4. Oktober, 20.15 Uhr.