Berlin
"Aliens? Hoffentlich finden sie uns nicht"

Regisseur Ridley Scott über seinen neuen Film, außerirdische Lebensformen, Kunst und Kommerz und seinen schlimmsten Albtraum

17.05.2017 | Stand 02.12.2020, 18:07 Uhr

Berlin (DK) Ridley Scott hat Filmgeschichte geschrieben. Filme wie "Blade Runner", "Alien", "Thelma & Louise" und "Gladiator" hat er zu Pop-Kultur-Phänomenen gemacht. Er ist einer der ganz großen Stilisten Hollywoods, der jedes Genre virtuos beherrscht. Vor fünf Jahren hat er mit dem Science-Fiction-Film "Prometheus - Dunkle Zeichen" die "Alien"-Saga wieder aufgenommen und jetzt mit "Alien: Covenant" (ab heute im Kino) weitererzählt. Doch als wir den 78-Jährigen zum Interview im Berliner Hotel de Rome trafen, wollten wir zuerst wissen, wie er denn angesprochen werden möchte. Denn 2003 wurde er von der Queen geadelt und nennt sich seither gerne Sir Ridley Scott. Doch frei von Dünkel und Diven-Gehabe gab er zu Antwort: "Ridley ist okay."

Ridley, in den vergangenen 40 Jahren haben Sie viele unterschiedliche Filme gedreht. Und doch ist die "Alien"-Thematik anscheinend ein Herzstück Ihres Schaffens.

Ridley Scott: Nicht wirklich. Ich drehe gerade "All the Money in the World", einen Film über die Getty-Entführung. Danach "The Cartel", die Verfilmung eines Don-Winslow-Thrillers. Darin geht es um den Drogenkrieg in Mexiko. Wie Sie schon sagten, habe ich im Laufe meiner Karriere sehr verschiedene Filme gemacht, mich in diversen Genres ausprobiert und mich immer von meinem eklektischen Geschmack leiten lassen. Ich wollte mich schließlich nicht langweilen.

 

Trotzdem haben Sie vor fünf Jahren mit "Prometheus - Dunkle Zeichen" den Faden der "Alien"-Saga wieder aufgenommen und nun mit "Alien: Covenant" weitergesponnen ...

Scott: ... weil ich nach der sehr guten Erfahrung beim "Prometheus"-Dreh wieder großen Spaß am Science-Fiction-Genre bekommen habe. Und mit meinem neuen "Alien"-Film wollte ich vor allem das Franchise reparieren. Von den "Alien"-Filmen, die auf meinen folgten, fand ich den von James Cameron gut, die beiden anderen okay, aber die "Alien versus Predator"-Filme schlicht schrecklich. Dieser Alien ist eine ganz besondere Kreatur. Und ich wollte ihn in seinem ursprünglichen Glanz wieder auferstehen lassen. Außerdem wollte ich auf ein paar essenzielle Fragen endlich die richtigen, logischen Antworten geben.

 

Und welche Fragen sind das?

Scott: Wem gehört eigentlich das Raumschiff Nostromo im ersten "Alien"-Film? Warum sieht ein Raumanzug wie ein Gerippe aus? Warum würde jemand so eine schreckliche Alien-Kreatur überhaupt machen wollen - und zu welchem Zweck? Auf einige dieser Fragen habe ich schon in "Prometheus" Hinweise gegeben. Und auch in diesem Film sehen wir wieder gigantische Stelen, riesige Steinköpfe, Höhlenzeichnungen. Und die wiederum haben mit jener Figur zu tun, die Noomi Rapace in "Prometheus" spielte. (Lacht) Sie sehen, das Ganze ist eine ziemlich komplexe Geschichte. Ein Geschichte, die ich übrigens sehr gerne noch weitererzählen würde. Die Drehbücher für zwei weitere "Alien"-Filme sind schon in Arbeit.

 

Sie erzählten mir einmal, dass Sie ein eingefleischter Agnostiker sind.

Scott: Das ist richtig. Gott kann man nicht rational erfassen. Oder anders ausgedrückt: Ich weiß nicht, was und ob ich glauben soll.

 

Und doch scheint es, dass Sie gerade Ihre "Alien"-Filme als Vehikel dafür benutzen, nach Gott zu suchen. Im "Covenant"-Prolog heißt es: "Es muss doch mehr geben!"

Scott: Auch ein sehr wichtiger Satz. Natürlich suche auch ich immer noch nach Antworten auf die großen Fragen: Woher kommen wir? Warum leben wir? Wohin gehen wir? Und für die Beschäftigung mit diesen Sinnfragen sind meine "Alien"-Filme ganz gut geeignet. Dieses "Über-uns-hinaus-Denken" ist doch eigentlich eine logische Konsequenz unseres Daseins. Erst kürzlich meinte ein Wissenschaftler, der auch für die Nasa arbeitet, dass es höchst wahrscheinlich ist, dass es in unserer Galaxie noch weiteres Leben gibt. Die Frage ist nur, auf welchem Stand der Evolution sich diese anderen Lebensformen befinden.

 

Und Sie teilen diese Meinung?

Scott: Aber sicher. Da muss ich doch nur in den Sternenhimmel schauen. Dabei dann zu denken, wir wären in diesem gigantischen Kosmos die Einzigen - das wäre lächerlich.

 

Sind wir Menschen dann die "Krone der Schöpfung" oder eher am unteren Ende der Evolutions-Skala?

Scott: (Lacht) Das ist die Gretchenfrage! Wenn wir oben stehen würden, dann wäre ja alles in Ordnung. Denn dann würde in den nächsten 100 Jahren - dank unserer technischen Überlegenheit - nicht viel passieren. Wenn wir uns allerdings im Vergleich zu den Aliens auf Affen-Niveau bewegen, dann wäre es durchaus denkbar, dass die Aliens uns weit überlegen sind und Waffen haben, mit denen sie uns jederzeit vernichten könnten. In diesem Fall stimme ich dem Astrophysiker Stephen Hawking zu, der sagte: "Hoffentlich finden sie uns nicht."

 

Diesen philosophischen Fragen haben Sie in "Prometheus" sehr intensiv nachgespürt - was Ihnen einige Kritiker und Fans sehr übel nahmen. War das der Grund, warum Sie in "Covenant" die Alien-Action wieder stark in den Vordergrund stellten?

Scott: Nein, das ergab sich aus der Logik der Geschichte. Wie ich Filme mache, hängt sicher nicht davon ab, was einige Kritiker meinen. Aber ich sage Ihnen ganz ehrlich, dass es mir einen Höllenspaß gemacht hat, diese xenomorphen Kreaturen - die der wunderbare Künstler HR Giger damals für den ersten "Alien"-Film entworfen hat - wieder verstärkt ins Spiel zu bringen. Der Horror ist jedenfalls präsenter denn je. Bei manchen Szenen habe sogar ich Gänsehaut bekommen.

 

Im Raumschiff Covenant ist der Einsatz von künstlicher Intelligenz und Robotertechnik schon lange Alltag. Was halten Sie denn im wirklichen Leben von Robotern?

Scott: Künstliche Intelligenz begleitet uns im Alltag ja schon länger. Wir haben sogar beim Drehen dieses Films einen Computer-Chip benutzt, der künstliche Intelligenz besitzt. Dadurch konnten wir sehr viel Zeit sparen. Und im Bereich Medizin zum Beispiel kann ich diese neuen Technologien nur sehr begrüßen. Gerade bei der Forschung. Eine komplexe Datenerhebung, die sonst vielleicht Jahre dauern würde, kann der Computer jetzt in vier Tagen leisten. So können Probleme viel schneller und effizienter gelöst werden. Das finde ich fantastisch. Andererseits würde ich es für einen großen Fehler halten, wenn man Roboter erfinden würde, die total selbstständig denken könnten - ohne jegliche Kontrolle. Das wäre sehr gefährlich.

 

Haben Sie schon jemals geträumt, dass Ihre Brust aufkracht und ein Alien herausspringt?

Scott: (Lacht) Nein, das nicht. Aber ich habe eine Art von Klaustrophobie. Ich könnte nie ein Höhlenforscher sein. Wenn ich mir vorstelle, wie ich in einem dunkeln Höhlengang entlangrobbe und dann vielleicht sogar darin stecken bleibe - das ist mein Horroralbtraum schlechthin. Und wenn man richtig Panik bekommt, schwillt der ganze Körper an - und dann bleibt man erst recht stecken. Da kann man nur noch hoffen, von einer Regenflut wieder herausgespült zu werden ... Dagegen ist das Filmen auf einem Alien-Set ein Spaziergang.

 

Würden Sie selbst gern mal in den Orbit fliegen? Ab nächstem Jahr soll das für zahlungskräftige Kunden möglich werden.

Scott: Machen Sie Witze? Nie im Leben!

 

Stellen Sie sich vor, Sie fallen in einen so tiefen Schlaf wie die Astronauten im Film und werden erst nach vielen Jahren wieder reanimiert. Wer sollte Sie aufwecken?

Scott: Meine Frau. Ich habe Anfang des Jahres endlich geheiratet (zeigt stolz seinen Ehering). Aber wir sind schon seit 23 Jahren zusammen. Ich habe also lange und gut für diese Ehe geübt. Aus dem Tiefschaf soll mich bitte nur meine Frau aufwecken.

 

Das Interview führte

Ulrich Lössl.

 

Eine Besprechung des Film "Alien: Covenant" finden Sie heute in unserer Beilage "unterwegs".