Bamberg
Ein Fall über das Fremdsein

"Am Ende geht man nackt": Der dritte Franken-Tatort erzählt vom Ankommen als Flüchtling in Deutschland

07.04.2017 | Stand 02.12.2020, 18:20 Uhr

Ermittlungen in der Gemeinschaftsunterkunft: Hauptkommissarin Ringelhahn (Dagmar Manzel, Mitte) und ihre Kollegen (Andreas Leopold Schad und Eli Wasserscheid). - Foto: Schuller/BR/Rat Pack

Bamberg (DK) "Am Ende gehen wir so, wie wir gekommen sind: Am Ende geht man nackt - das macht uns doch zu Brüdern", sagt einer der Flüchtlinge im neuen Franken-"Tatort". Dieser Satz verdeutlicht, dass es den Machern des Films mehr um humanistische Grundfragen und weniger um die realpolitische Diskussion in der Flüchtlingsfrage geht.

Sensibel und eindringlich erzählt das Krimidrama von Menschen aus unterschiedlichen Kulturen, die erfahren, wie schwer es ist, in einem Land anzukommen, in dem neben Hilfsbereitschaft auch Fremdenfeindlichkeit wächst und so die Angst auf beiden Seiten.

Auf eine Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge in Bamberg wird ein Brandanschlag verübt. Es gibt einen Verletzten und eine Tote: eine Frau aus Kamerun. Paula Ringelhahn (Dagmar Manzel) ermittelt, doch die Anwohner haben nichts gesehen, und die Flüchtlinge sagen nichts, weil sie dadurch die Bewilligung ihrer Asylanträge gefährdet glauben. Da trifft es sich gut, dass Kommissar Felix Voss (Fabian Hinrichs) gerade erst von einer Tschetschenien-Reise zurückkehrt. So reiht er sich als Erso Maschadow aus Tschetschenien in die Schlange der neuen Asylbewerber ein. Mit der Undercover-Aktion will er herausfinden, ob jemand den Riegel zum Vorratsraum, in dem die Frau verbrannte, absichtlich heruntergeklappt hat. Voss gewinnt bald das Vertrauen des traumatisierten syrischen Jungen Basem und macht zudem Bekanntschaft mit Said, dem heimlichen Chef und "Organisierer" in der Unterkunft, der ihm auch gleich einen Putzjob vermittelt.

Der "dritte Franken-Tatort" hat es in sich. Erzählt aus unterschiedlichen Perspektiven eine Geschichte, die tief dringt und nahegeht. Voss steht für die Innensicht, Paula ermittelt von außen. So gehen die Krimistory und der Alltag der Flüchtlinge nahtlos ineinander über. Eine dramaturgisch kluge Entscheidung und ein Kniff, der für noch mehr Spannung sorgt - es geht nicht nur um die Mördersuche, sondern lange auch um die Gefahr der Enttarnung des Ermittlers.

Holger Karsten Schmidt, gerade erst für "Das weiße Kaninchen" mit einem Grimme-Preis ausgezeichnet, reißt viele Themen an: Mietabzocke bei Flüchtlingsunterkünften, rechtsradikale Aktivitäten, Hierarchienbildung und Kriminalität bei Flüchtlingen, verzögerte Bearbeitung von Asylan-trägen, Schwarzarbeit, Flüchtlingsschicksale und Traumatisierung. Markus Imboden, derzeit wohl beim BR auf den "Tatort" abonniert, denn er drehte auch schon den letzten Münchner Fall "Klingelingeling", sowie Kameramann Jürgen Jürges ("Angst essen Seele auf", "Die flambierte Frau", "Christiane F.), der seit fast 50 Jahren mit seinem klugen Blick auf Menschen und Dinge ein Stück Kinogeschichte geschrieben hat, verfallen nicht in die stereotypen Bilder eines Flüchtlingsheims. Sie zeigen den Alltag, mal nüchtern, mal emotional, aber nichts wird ausgestellt. Mit Mohamed Issa und Yasin El Harrouk sind die zentralen Figuren des Basem und Said prima besetzt.

Das Herzstück der Franken-Krimis bildet das Ermittlerteam. Dabei haben die "kleinen" Rollen - Wanda Goldwasser, Herr Fleischer, Spusi-Mann Schatz und Polizeipräsident Kaiser - ihre teilweise originellen Auftritte. Und die beiden Kommissare sind eine Bank. Blicke, Gesten, Pausen, Betonung - es sind die vielen Kleinigkeiten, in und an denen man sieht, was die beiden theatererfahrenen Mimen Dagmar Manzel und Fabian Hinrichs drauf haben. Das ist so nuanciert, klug und feinfühlig gespielt, dass es allein schon das Zusehen lohnt.

 

Der "Tatort: Am Ende geht man nackt" läuft am Sonntag um 20.15 Uhr in der ARD.