Landshut
Der Tote im Cellokasten

Das Kleine Theater Landshut schenkt sich zum 25. Geburtstag ein Remake seinen "Frankenstein"-Hits

25.03.2018 | Stand 02.12.2020, 16:39 Uhr
Zwei Filmenthusiasten spielen mit einfachsten Requisiten und leidenschaftlicher Genauigkeit den Horrorfilm "Frankenstein" nach: Matthias Kupfer und Eckhard Preuß im Kleinen Theater. −Foto: Klein

Landshut (DK) Wenn ein formschöner Pudding zur Hirnmasse eines Verbrechers wird, ein Cellobogen zum Gewehr und ein altes Radio zum Galvanisationsgerät, wenn eine Schreibtischlampe den Mond in alptraumhafter Nacht aufglimmen lässt und ein Trenchcoat als Gehenkter am Galgen baumelt, dann ist man mittendrin in Gil Mehmerts genial verspielter Theaterwelt.

1993 landete der Regisseur mit seiner Minimalversion von "Frankenstein" im Kleinen Theater Landshut einen Publikumshit. Gerade mal zwei Schauspieler nahmen sich des Schwarz-Weiß-Horrorklassikers aus dem Jahr 1931 an, der sehr frei mit Motiven aus Mary Shelleys Schauerroman umging, aber Boris Karloffs Monster zur Ikone werden ließ.Zu zweit spielten sich die beiden durch sämtliche Rollen - vom genialen, Grenzen überschreitenden, düsteren Wissenschaftler über seine zarte Braut bis zum mordenden Monster und dem aufgebrachten Mob. Und dazu nutzten sie nur die wenigen Requisiten, die die ohnehin karg bestückte Bühne hergab. Es war ein herrlich schräger Abend. Und eine Liebeserklärung ans Theaterspielen.

Was lag näher, als zum Frankenstein-Jubiläum - vor 200 Jahren erschien Mary Shelleys Roman - das Stück erneut auf den Spielplan zu setzen? Als Geburtstagsgeschenk sozusagen. Denn Sven Grunerts Kleines Theater feiert in diesem Jahr 25-jähriges Bestehen. Was mit einem Stück und einer Monatsmiete für eine kleine Hinterhausbühne begann, hat sich längst zum festen Bestandteil der städtischen Kulturszene entwickelt - mit einem eigenen Haus im extra umgebauten Rottenkolber-Stadel aus dem 16. Jahrhundert und gut 180 Vorstellungen im Jahr. Der Ruf reicht weit über die Stadtgrenzen hinaus. Die kleine Truppe um Sven Grunert macht radikales, couragiertes Herzschlagtheater und wird eingeladen auf Festivals im In- und Ausland, von Augsburg bis Zagreb.

Zum 25. Geburtstag also ein Remake der Kult-Inszenierung von 1993. Man holte denselben Regisseur und mit Matthias Kupfer und Eckhard Preuß dieselben Schauspieler von damals, stellt das Biedermeiersofa (neu bezogen) auf die Bühne, den Kleiderständer, den Servierwagen mit der Schreibtischleuchte. Und schon kann es losgehen: Zwei Herren im Anzug sind Mr. Frank und Mr. Stein, die sich spielwütig ins cineastische Abenteuer stürzen. Aber halt! Vor dem Vorspann die Warnung! Kurzes Geplänkel. Dann die Friedhofsszene. Frankenstein. Sein Faktotum. Das gestohlene Hirn. Elisabeth. Das Monster. Hybris. Verzweiflung. Mord.

Hinreißend ist dieser Rollenmarathon von Matthias Kupfer und Eckhard Preuß, die es tatsächlich schaffen, jeder ihrer zahlreichen Figuren unverwechselbare Züge zu verleihen. Wenn Preuß als Elisabeth treu sorgend säuselt oder Kupfer als Frankensteins Freund mit einem Kamm als Schnauzer vorm Gesicht sie anhimmelt, wenn beide hinterm Sofa das Volk mimen oder zweimal den Kleiderständer umrunden, um die lange Wendeltreppe zu simulieren, wenn sie zu zweit drei, vier, fünf Personen in einer Szene gleichzeitig spielen und immer wieder planmäßig aus ihren Rollen fallen - das ist schon großer Theatersport. Ein Fest für Schauspieler: abgründig, aberwitzig, poetisch, federleicht. Licht, Ton, Musik, Rhythmus, Spiel - alles folgt einem präzise austarierten Konzept. Und weil Gil Mehmerts Komik so erfrischend fantasievoll ist, wird auch das "Frankenstein"-Remake mit Sicherheit ein Publikumsrenner.

 

Weitere Vorstellungen am 8. und 27. April sowie am 4. Mai. Kartentelefon (0871) 29465. Zum Jubiläum ist im Verlag Theater der Zeit ein Sonderband über "Das große kleine Theaterwunder" erschienen.