Schadenfreude
Vorsicht mit der Kamera

Mit Dashcams wollen sich russische Autofahrer vor Ärger schützen – in Österreich sind sie verboten

30.06.2013 | Stand 02.12.2020, 23:58 Uhr

Filmen während der Fahrt: Mit dem Smartphone – wie hier im Bild – gelingt das eher unkomfortabel. Speziell eignen sich dafür sogenannte Dashcams – doch die sind rechtlich umstritten - Foto: Oppenheimer

Schadenfreude ist bekanntlich die schönste Freude. Entsprechend beliebt sind sogenannte „Failvideos“ auf YouTube. Sie wurden meist in Russland aufgenommen und zeigen teilweise spektakuläre Unfälle. Die wiederum von sogenannten „Dashcams“ oder auch „Russencams“ festgehalten wurden. Diese Minikameras werden per Saugnapf an der Windschutzscheibe oder auf dem Armaturenbrett befestigt wie ein Navigationsgerät und filmen dann, was sich beim Fahren so alles vor der eigenen Motorhaube tut. Strom beziehen sie durch einen Akku oder per Kabel vom Zigarettenanzünder.

Bei Onlineversendern sind sie mit Normalauflösung von 480 mal 640 Pixeln schon um die 40 Euro zu bekommen, für Modelle mit Full-HD und GPS muss man mindestens um die 140 Euro investieren. Je nach gewünschter Aufnahmelänge benötigt der Nutzer noch Speicherkarten, ab 16 GB aufwärts. In Full-HD-Auflösung reicht die dann für zwei Stunden. Modelle der oberen Preisklasse bieten eine sogenannte „Blackbox-Funktion“, wobei sich die Cam erst dann einschaltet, wenn das Auto etwa stark abgebremst wird. Nur solche Einsatzfälle hält Axel Kossel vom Computermagazin „c’t“ für sinnvoll: „Eine Kamera, die ständig mitläuft und das vielleicht auch noch mit einer schlechten Bildqualität, nutzt rein gar nichts.“

In Russland klemmen sie an der Windschutzscheibe, um sich gegen absichtliche Unfallverursacher und korrupte Verkehrspolizisten zur Wehr zu setzen. Die Motivation, solche Geräte hierzulande einzusetzen, erklärt Jost Henning Kärger, stellvertretender Leiter Verkehrsrecht beim ADAC, mit dem Sichern von Beweisen bei Unfällen oder einer Nötigung. „Das ist ein neuer Trend“, kommentiert er. Ob der auch legal ist, kann er nicht eindeutig beantworten. Es gebe schlicht noch keine entsprechenden Urteile, so die Auskunft des Verkehrsrechtlers.

Andere Informationen hat diesbezüglich Heiko Loy, Pressesprecher des Technikversenders Pearl. Er berichtet von reger Nachfrage nach den Geräten und einem Kunden, der mithilfe der Dashcam bei einem Unfall seine Unschuld habe beweisen können. Vom Amtsgericht Nürnberg wurde der Verkehrsrowdy, welcher ihn beim Überholen ausgebremst hatte, folglich zu einer Geldstrafe verurteilt und musste für 21 Monate den Führerschein abgeben. Eine rechtliche Grauzone sieht Loy nicht, schließlich sei das Filmen im öffentlichen Raum gestattet. Entsprechend gebe es auch keine Hinweise in den Handbüchern.

Derlei Argumentation wiederum bereitet dem thüringischen Datenschutzbeauftragten Lutz Hasse mehr als Bauchgrimmen: „Ich würde so eine Kamera nicht installieren.“ Schließlich könnten bei der Aufnahme Personen und auch Kennzeichen erkennbar sein, was wiederum die Einwilligung der Aufgenommenen erfordere. Hasse verweist auf das Bundesdatenschutzgesetz, welches das Aufnehmen und Speichern von Bilddaten nur im persönlich-familiären Umfeld ohne ausdrückliche Genehmigung gestattet. Dies liegt beim Gebrauch einer Dashcam nach seinen Angaben aber nicht vor. Zudem tritt ein etwaiges berechtigtes Interesse hier hinter überwiegende schutzwürdige Interessen der (beiläufig) Aufgenommenen grundsätzlich zurück. Laut dem Datenschutzexperten könnten beim Gebrauch der Kameras von Amts wegen Geldstrafen drohen oder sogar der Abbau angeordnet werden. Eine Ausnahme sieht er allenfalls bei solchen Modellen, die nicht permanent filmen, sondern nur kurze Sequenzen etwa vor einem Unfall aufnehmen und dann auch wieder überspielen. Was Geräte der oberen Preisklasse wie die Rollei CarDVR-110 durchaus tun, die günstigen aber meist nicht.

Darum rät er insgesamt vom Gebrauch der Dashcams ab. „Ich hoffe, dass die Autofahrer weise genug sind, diese nicht einzusetzen. Je nach Funktionsweise des Gerätes kann ein klarer Rechtsverstoß vorliegen“, unterstreicht Hasse. Kurioserweise heiße das aber nicht zwingend, dass entsprechende Filmsequenzen etwa in einem Verfahren nicht eingeführt werden dürften. Darüber entscheide im Einzelfall der Richter, siehe der Nürnberger Fall.

Wer übrigens in unser Nachbarland Österreich fährt, sollte die Cam vorher demontieren, denn sonst kann es teuer werden. Die Geräte sind in der Alpenrepublik definitiv verboten. Dies hat die Datenschutzkommission festgelegt und bei einem Verstoß Geldstrafen bis zu 10 000 Euro, im Wiederholungsfall gar 25 000 Euro, angedroht. Erlaubt sei lediglich das Fotografieren und Filmen nach einem Unfall, um Beweise zu sichern, stellt die Behörde klar. Zwar noch keine Strafen, aber ein Verbot deutet sich auch in der Schweiz an. Der dortige Datenschutzbeauftragte nannte das Filmen mit der Dashcam auf Anfrage des Schweizer Fernsehens „unverhältnismäßig und widerrechtlich“. DK