Berlin
"An der Weggabelung"

Internetkonferenz Re:publica debattiert über Risiken und Chancen der digitalen Welt

02.05.2016 | Stand 02.12.2020, 19:52 Uhr

Berlin (DK) Freiheit und Kreativität waren die Ziele, Überwachung und Kontrolle sind oft die Realität in der digitalen Welt. Doch noch ist der Kampf nicht verloren - so lautet die Botschaft, die von der zehnten Internetkonferenz re:publica in Berlin ausgeht.

Dialog, Aufklärung und Engagement können dafür sorgen, dass die technischen Möglichkeiten im 21. Jahrhundert unser Leben bereichern und nicht nur beschränken.

"Zu sagen, man bräuchte kein Recht auf Privatsphäre, da man nichts zu verbergen habe, ist wie zu sagen, man bräuchte keine Meinungsfreiheit, da man nichts zu sagen habe", sagte Edward Snowden. Der US-amerikanische Whistleblower war zur re:publica per Live-Video aus seinem russischen Exil zugeschaltet. Er nutzte die Gelegenheit, um für das Thema seines Lebens zu werben: das Recht auf Privatsphäre. Handy-Daten, gescannte Nummernschilder, Überwachungskameras, Datensammelei im Internet und vieles mehr seien Realität, so Snowden. Dem könne man nicht entkommen. "Aber man kann all das kontrollieren und einschränken." Denn noch gebe es die Möglichkeit, die Richtung zu bestimmen. "Wir stehen an der Weggabelung."

"Seit zehn re:publicas feiern wir das offene Internet, doch das verschließt sich gerade", sagte Markus Beckedahl, Chefredakteur des Blogs netzpolitik.org, zur Eröffnung der Konferenz. "Unsere Kommunikation wird zunehmend überwacht." Auf der re:publica würden Strategien diskutiert, wie wir das Netz offen halten können. "Denn eine offene Gesellschaft braucht ein offenes Netz."

"Wir müssen sehen, was Regierungen machen, um zu wissen, ob es richtig ist", sagte Snowden. Zu oft seien bestimmte Dinge unter Verschluss. Ein Verweis unter anderem auf das umstrittene Handelsabkommen TTIP. Dann ließen Politiker immer wieder einzelne Informationen raus. "Aber natürlich nur bestimmte Aspekte. Keine, die der Opposition dienen." Das schaffe kein Vertrauen. Wie solle man Regierungen vertrauen, die für ein Monopol auf Informationen kämpften? "Wir brauchen wieder mehr Vertrauen", warb Snowden. Vertrauen der Bürger in die Regierung. "Aber vor allem auch Vertrauen der Regierung in ihre Bürger." Wie viele verschiedene Institutionen und Firmen wie viele Informationen über uns sammeln, erläuterte Klaus Landefeld vom Verband der Internetwirtschaft. Seine Kritik: Die vom Bundesverfassungsgericht angemahnte "Überwachungsgesamtrechnung" werde nie vorgelegt. Das Problem sei, dass alle Überwachungsmaßnahmen einzeln betrachtet würden. "Alles zusammenzurechnen - das ist der Teil, der fehlt." Denn wenn all die Daten, die Verwaltungs- oder Ermittlungsbehörden, Handy-Provider und Verkehrsbetriebe, soziale Netzwerke und Geheimdienste haben, kombiniert werden, ist der gläserne Mensch längst Realität. Auch ohne jede richterliche Anordnung und demokratische Kontrolle.

Was könne man also tun? "Es muss eine gesellschaftliche Diskussion sein", warb Landefeld. Er wandte sich an die re:publica-Besucher: "Diskutiert, warum digital akzeptiert wird, was analog kein Mensch akzeptiert!" Es würde schließlich kaum jemand gut finden, wenn sich ein Fremder in einer Kneipe mit an den Tisch setzen würde, um jedes Wort eines vertraulichen Gesprächs mitzuhören.