"Die Richter müssen Position beziehen"

26.02.2010 | Stand 03.12.2020, 4:13 Uhr

Ingolstadt (DK) Zuversichtlich blickt Burkhard Hirsch nach Karlsruhe: Der FDP-Politiker und frühere Vizepräsident des Bundestages ist einer der Beschwerdeführer gegen die Vorratsdatenspeicherung – und er geht davon aus, dass die Verfassungsrichter gegen die Vorratsdatenspeicherung entscheiden werden. Mit Hirsch sprach unser Redakteur Christian Fahn.

Herr Hirsch, Sie rechnen mit einem Erfolg ihrer Verfassungsbeschwerde.

Burkhard Hirsch: Aus den Fragen, die die Verfassungsrichter bei der mündlichen Verhandlung im Dezember 2009 stellten, war zu erkennen, dass sie erhebliche Bedenken gegen die Vorratsdatenspeicherung hegen.

Ihre Kritik an dem Gesetz teilte ja ursprünglich auch ein Großteil der Bundestagsabgeordneten . . .

Hirsch: Das ist richtig. Für die Vorratsdatenspeicherung gab es im ersten Anlauf keine Mehrheit. Die Bundesregierung hat dann auf eine europäische Richtlinie hingearbeitet, die die Mitgliedsstaaten zu einer Datenspeicherung verpflichtet. Um ihre damalige Bundesjustizministerin Brigitte Zypries nicht im Regen stehen zu lassen, stimmten viele SPD-Abgeordnete dem Gesetz im zweiten Anlauf schließlich doch zu.

Welchen Einfluss hat der Umweg über Brüssel auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts?
 
Hirsch: Die Karlsruher Richter waren bisher eher zurückhaltend, wenn es darum ging, europäische Regelungen mit den Maßstäben der deutschen Verfassung zu prüfen. Diesmal aber geht es erstmals um einen Verstoß gegen Artikel 1 des Grundgesetzes, um den Schutz der Menschenwürde. Die Richter müssen also Position beziehen. Deshalb halte ich diese Entscheidung für eine der wichtigsten in der Geschichte des Bundesverfassungsgerichts.

Sind sich die Bürger der Bedeutung der Vorratsdatenspeicherung überhaupt bewusst?
 
Hirsch: Vor allem die Jüngeren, die viel mit dem Handy, per SMS und über E-Mail kommunizieren, haben die Gefahren erkannt. Das zeigt die Beteiligung von über 30.000 Bürgern an der ersten Massenbeschwerde an das Bundesverfassungsgericht. Die jungen Leute haben begriffen, dass mit den Informationen, die bei der Vorratsdatenspeicherung erfasst werden, Persönlichkeitsprofile erstellt werden können – ohne dass die Gespräche abgehört werden müssen.