Ingolstadt
"Nicht hilfreich für den Datenschutz"

21.09.2010 | Stand 03.12.2020, 3:39 Uhr

Johannes Caspar

Ingolstadt (DK) Mit Spannung war der Datenschutz-Gipfel in Berlin erwartet worden. Viele hatten sich davon eine Antwort auf die Frage versprochen, wie weit die Anbieter von Geodaten-Diensten wie Google Street View beim Erheben persönlicher Daten gehen dürfen. DONAUKURIER-Redakteur Gerd Schneider fragte den Hamburgischen Datenschutz-Beauftragten Johannes Caspar nach den Ergebnissen.

Herr Caspar, wie empfanden Sie als Teilnehmer den Datenschutz-Gipfel in Berlin? Sind Sie mit einem Gefühl der Zufriedenheit nach Hause gefahren?

Johannes Caspar: Nein, eher nicht. Meiner Ansicht nach war das Treffen insgesamt nicht so positiv für den Datenschutz.

Warum nicht?

Caspar: Das Thesenpapier, das Innenminister Thomas de Maizière vorgestellt hat, stützt sich auf eine freiwillige Selbstverpflichtung der Firmen, die Geodaten erheben, wie Google Street View. Eine gesetzliche Regelung, die daneben durch eine "rote Linie" gezogen werden soll, besteht im Wesentlichen durch bereits bestehende zivilrechtliche Unterlassungs- und Schadensersatzklagen. Das heißt: Die Firmen sollen künftig die Belange des Datenschutzes größtenteils selbst regulieren. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass man als Privatmann eigentlich kein Recht hat, der Veröffentlichung von Fotos von Gebäuden oder Grundstücken im Netz zu widersprechen.

Das Einzige, was den Bürgern bleibt, ist die Hoffnung auf den guten Willen von Google, Microsoft und den anderen Internet-Konzernen?

Caspar: Ich will nicht sagen, dass Selbstregulierung im Datenschutz nicht funktionieren kann. Denken Sie an die Versicherungsbranche, da liegt der sichere Umgang mit Daten im eigenen Interesse der Firmen. Aber für Geodienste eignet sich dieses Instrument nun überhaupt nicht.

Man könnte auch fragen: Wie naiv muss man eigentlich sein, um in dieser Sache auf den guten Willen der Unternehmen zu hoffen?

Caspar: Es ist Augenwischerei, zu glauben, ein Datenschutz-Codex, der auf Freiwilligkeit beruht, löse die Probleme. Ganz einfach deshalb, weil die Nichteinhaltung dieser Vereinbarung folgenlos bleibt. Dieser Codex mit einem schwachen gesetzlichen roten Faden, wie er dem Innenminister vorschwebt, ist aus unserer Sicht viel zu wenig. Was wir brauchen, ist ein fester gesetzlicher Standard. Ein Regelwerk, das definiert, wo die Rechte der Bürger liegen. Und wenn die Internet-Unternehmen diese Rechte nicht einhalten, kann man juristisch dagegen vorgehen. Verstöße durch die Internetfirmen müssen seitens der Datenaufsichtsbehörden sanktionierbar sein.

Aber mit Google gab es doch Verhandlungen, und man kann ja Widerspruch dagegen einlegen, dass sein Haus oder Garten unverpixelt im Internet gezeigt wird.

Caspar: Darauf haben wir uns mit Google geeinigt. Aber durch de Maizières Konzept der Freiwilligkeit sehe ich das gefährdet. Wenn wir jetzt mit Google in den nächsten Wochen noch einmal über diesen Codex verhandeln müssen, fürchte ich, dass wir hinter das zurück fallen, was wir bisher schon erreicht haben. Was passiert denn, wenn ein anderes Unternehmen wie etwa Microsoft sagt, bei diesem Codex mache es nicht mit? Dann wird sich auch Google nicht darauf einlassen. Es besteht also eine große Gefahr, dass das, was wir bisher für den Datenschutz erreicht haben, aufgeweicht wird.

Eine zentrale Liste von Bürgern, die nicht wollen, dass ihre Häuser im Internet gezeigt werden, ist nun auch in weite Ferne gerückt, oder?

Caspar: Wenn man den Unternehmen die Regulierung des Datenschutzes überlässt, ist so eine Liste natürlich auch unrealistisch. Es sei denn, die Unternehmen einigen sich freiwillig auf so eine Liste. Davon gehe ich aber nicht aus.

Wie wenig Google bereit ist, freiwillig die Belange des Datenschutzes zu berücksichtigen, sieht man auch daran, wie sie mit Gemeinden und Städten umgehen. Anders als Privatleute haben die Kommunen nicht das Recht, Widerspruch gegen das Abfotografieren öffentlicher Gebäude einzulegen. Wieso nicht?

Caspar: Das ist Teil unserer Vereinbarung. Kommunen sind dem Gesetz nach juristische Personen, und für die gilt das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nicht. Darauf ließ sich Google nicht ein.

Das heißt, Google darf Bilder von Kindergärten, Frauenhäusern und Suchtberatungsstellen ins Netz stellen?

Caspar: Ja. Das ist problematisch. Aber es war nichts zu machen.

Haben Sie auch den Eindruck, der Bundesinnenminister ist an dem Thema Datenschutz im Internet-Zeitalter nicht sonderlich interessiert?

Caspar: Das will ich nicht sagen. Aber er hat eine andere Sichtweise. Das ist ja das Typische an diesem Thema, dass die Ansichten da weit auseinander liegen. Je nachdem, ob man mehr von der Position der Informationsfreiheit oder der informationellen Selbstbestimmung an die Sache herangeht. Die einen fühlen sich in ihrer Freiheit eingeschränkt, wenn Bilder von ihren Häusern ins Netz gestellt werden. Das andere Extrem sind Internet-Aktivisten, die gerade die Häuser von Leuten, die Widerspruch bei Google eingelegt haben, im Internet sehen wollen. Die haben angekündigt, diese zu fotografieren und als nutzergenerierten Content hochzuladen. Hier müsste der Gesetzgeber Klarheit schaffen.

Was ist mit den W-Lan-Daten, die von den Geodiensten geortet werden können und auch geortet werden?

Caspar: Das Problem ist auch nicht gelöst. Dabei sind das ja keine unbedeutenden Daten. Damit könnte man eine Karte über den Verschlüsselungsstatus von W-Lan-Netzwerken in Deutschland erstellen. Im Grunde genommen wäre das eine Einladung zum Schwarz-Surfen.

Wie haben sich eigentlich Verbraucherschutz-Ministerin Ilse Aigner (CSU) oder Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) bei dem Gipfel geäußert?

Caspar: Es war das Konzept vom Bundesinnenminister, um das es in Berlin ging. Ich hatte aber doch den Eindruck, dass die beiden Ministerinnen eine stärkere Ausrichtung auf Datenschutzbelange befürwortet hätten.

Es war ein schwarzer Tag für den Datenschutz, oder?

Caspar: So will ich das nicht sagen. Aber hilfreich für den Datenschutz war der Gipfel nicht.