Berlin
Schweres Geschütz im Abhörskandal

Opposition wirft Merkel und Friedrich Leisetreterei gegenüber Washington vor

14.07.2013 | Stand 02.12.2020, 23:54 Uhr

Berlin (DK) Peer Steinbrück startete einen Frontalangriff in der NSA-Spähaffäre: „Frau Merkel hat als Kanzlerin den Amtseid geschworen, Schaden vom deutschen Volke abzuwenden“, leitete er ein. „Jetzt kommt heraus, dass Grundrechte der deutschen Bürger massiv verletzt wurden.

Also: Schaden vom Volke abzuwenden – das stelle ich mir anders vor“, so Steinbrück. Es sei ein „riesiger Schaden fürs deutsche Volk“ entstanden. Der SPD-Kanzlerkandidat wirft der Kanzlerin eine Verletzung ihres Amtseides vor – eine neue Eskalationsstufe im Bundestagswahlkampf.

Zunächst hatte Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) für seine Aufklärungsmission in den Vereinigten Staaten Spott und Häme von SPD, Grünen und Linken geerntet. Was Friedrich als Erfolge verkaufte – die Zusicherung, es werde keine Industriespionage betrieben etwa, oder ein versprochener offener Umgang mit den deutschen Geheimdiensten, konnte die Opposition nicht überzeugen. Der Innenminister sei bereits auf Samtpfoten gestartet, doch gelandet sei er als Bettvorleger, so die verbreitete Meinung. Von „Luftnummer“ und „Desaster“ war die Rede, was Friedrich als „Unsinn“ zurückwies.

Doch um den Innenminister geht es der Opposition nicht wirklich. Ziel ist es, dass auch an der Kanzlerin diesmal etwas hängen bleiben möge. Steinbrück argumentiert, der BND habe etwas wissen müssen von den Abhörpraktiken. „Der Geheimdienst wird vom Kanzleramt koordiniert“, erinnerte der Merkel-Herausforderer und: „Wer hinter dem Steuer sitzt, trägt die Verantwortung – und zwar egal ob er wach oder eingepennt ist.“ Geheimdienstkoordinator und Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU) und Merkel selbst werden ins Visier genommen.

Die Koalition führt derzeit eine Abwehrschlacht. Merkel hatte in der Spähaffäre Position bezogen, dass das Abhören von Freunden an den Kalten Krieg erinnere und nicht gehe. Doch gleichzeitig ist der Regierung daran gelegen, die Partnerschaft mit dem wichtigsten Verbündeten USA nicht zu gefährden und auf die Vorteile hinzuweisen, die auch Deutschland aus Geheimdienstaktivitäten der Amerikaner zieht. Friedrich brachte als eine Auskunft seiner Amerikareise mit, dass Hinweise der NSA auch in Deutschland Terroranschläge verhindert hätten – insgesamt fünf. Ein „edler Zweck“, so Friedrich.

Unterdessen ging Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) in die Gegenoffensive zu Steinbrück und empfahl der Opposition, vor der eigenen Tür zu kehren: „Es wird zu klären sein, ob nach den Anschlägen von 2001 unter der rot-grünen Bundesregierung die Büchse der Pandora erst geöffnet worden ist.“

Bundeskanzlerin Merkel will derweil international strengere Datenschutzregeln durchsetzen, um Internetnutzer besser vor Ausspähung zu schützen. Auf nationalstaatlicher Ebene könnten die Daten der Bürger nicht mehr wirksam geschützt werden, sagte sie gestern. Deshalb sei eine einheitliche europäische Regelung nötig.