"Anti-islamische Haltung ist in Mode"

12.10.2010 | Stand 03.12.2020, 3:35 Uhr

"Die jetztige Debatte empfinde ich als Rückschritt": Mitra Sharifi-Neystanak. - Foto: oh

Bamberg (DK) Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) stößt wegen seiner Forderung nach einer Begrenzung der muslimischen Zuwanderung auf wütenden Protest der bayerischen Ausländerbeiräte. "Ich halte Äußerungen, die ganze Bevölkerungsgruppen ausgrenzen und unter Pauschalverdacht stellen, für unverantwortlich und sehr gefährlich", sagte Mitra Sharifi-Neystanak, Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft der Ausländer-, Migranten- und Integrationsbeiräte Bayerns (agaby). "Anti-islamische Haltung ist zur Zeit sehr in Mode, ich halte das für rassistisch."

Sharifi – Deutsch-Iranerin, die als Germanistin an der Uni Bamberg arbeitet – warnte vor einer fremdenfeindlichen Welle: "Das könnte Dinge ins Rollen bringen, die die Politiker dann nicht mehr unter Kontrolle haben." Sie warf Seehofer vor, nach der Sarrazin-Debatte am rechten Rand Stimmen fangen zu wollen. "Natürlich gibt es Probleme. Wir haben einen kleinen Teil Fundamentalisten. Aber die große Mehrheit der Muslime in Deutschland steht auf dem Boden der Verfassung. Ich bin selbst Muslimin, wenn auch keine besonders gläubige."

Integrationsprobleme hätten nach bisherigen Untersuchungen aber weniger mit der Religion zu tun als mit der sozialen Lage, sagte Sharifi. "Solche ausgrenzenden Aussagen können dazu führen, dass manche den Fundamentalisten geradezu in die Arme getrieben werden", warnte sie. Notwendig sei daher, den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken und nicht zu schwächen.

"Die deutsche Kultur kann stolz sein auf die im Grundgesetz festgeschriebene Gleichheit aller Menschen und die Religionsfreiheit. Ich fände es sehr bedauerlich, wenn jetzt ein Kulturkampf gestartet würde. Solch ein Kampf würde niemandem nutzen." Die CSU habe sich in den vergangenen Jahren in der Ausländerpolitik zurückgehalten. "Die jetzige Debatte empfinde ich als Rückschritt", sagte Sharifi.

Die CSU dagegen möchte den Islam weiter auf Distanz halten: Europagruppenchef Markus Ferber lehnte Imame bei Einweihungsfeiern und anderen offiziellen Anlässen mit kirchlicher Präsenz ab. "Wir müssen dafür Sorge tragen, dass auch heute noch unsere traditionellen bayerischen Werte geschützt und gewahrt werden", sagte Ferber. "Muslimische Zeremonien gehören da aber ganz eindeutig nicht dazu."

Der innenpolitische Sprecher der Union im Bundestag, Hans-Peter Uhl (CSU), sagte dem DONAUKURIER, die Integrationsdebatte müsse mit weniger Emotionen, aber mehr Klarheit und Konsequenz geführt werden. Weltoffenheit und Religionsfreiheit sei das eine, aber Werteorientierung auf der Basis "unserer christlich-abendländischen Kultur" etwas anderes. "Wir dürfen nicht den Eindruck erwecken, dass wir durch die Zuwanderung von Muslimen in unserem Wertekanon vom Islam geprägt sind. Wir sind es nicht, und wir wollen es auch nicht", sagte Uhl.

Die Zeit der großen Gipfel und Konferenzen sei jetzt vorbei. Es sei ein Punkt erreicht, "an dem wir keine neuen Sonntagsreden mehr brauchen, sondern Gesetzesvollzug". Wer sich weigere Deutsch zu lernen und gleichzeitig beim Staat die Hand aufhalte, müsse das Arbeitslosengeld II gekürzt bekommen. "Bisher ist mir kein Fall von solchen Leistungskürzungen bekannt."