Wie Dirndl und Lederhosen auf der Wiesn wieder modern wurden

17.09.2015 | Stand 02.12.2020, 20:47 Uhr

München (dk) Bis 2012 war Gabriele Weishäupl Chefin des Münchner Oktoberfestes – und trug ihren Teil zum Trachtenboom bei. Ein Rückblick auf fast 27 Jahre als Wiesn-Chefin.

Das Dirndl ist bereit. „Ich hab’s schon rausgehängt“, sagt Gabriele Weishäupl und verrät auch gleich, auf welches Modell ihre Wahl gefallen ist. „Ich ziehe das Dirndl an, das ich beim Oktoberfest-Jubiläum 2010 anhatte, in Gold und Schwarz.“ Lachend fügt sie hinzu: „Ich hoffe, dass es noch passt.“ Seit 2012 ist Weishäupl nicht mehr für das größte Volksfest der Welt verantwortlich, doch nach 27 Jahren als Tourismusdirektorin und Wiesn-Chefin ist das Oktoberfest aus ihrem Leben nicht wegzudenken. „Der erste Termin ist der Anstich“, sagt Weishäupl und lacht. „Ich bin ja noch tätig in verschiedenen Ehrenämtern, unter anderem bin ich Vorsitzende des Vereins Oktoberfestmuseum, damit habe ich auch noch eine offizielle Funktion.“

Gilt es heute als gute Tradition, dass Frauen für den Wiesn-Besuch ein Dirndl anlegen und Männer in eine Lederhose schlüpfen, so ist es eine vergleichsweise junge Entwicklung. „Als ich 1985 anfing, latschten alle in Jeans raus oder im Anzug“, erinnert sich Weishäupl. „Ich war Mitte der 80er Jahre die erste Frau neben den Jodlerinnen und den Frauen aus dem Trachtenverband im Dirndl.“ Als neue Wiesn-Chefin setzte die gebürtige Passauerin von Anfang an gezielt auf Tracht: „Wohl wissend, dass ich damit einen Wettbewerbsvorteil hatte bei den Fotografen, habe ich das kultiviert. Und ich habe ein bisserl mit beigetragen zu dem späteren Trachtenhype.“

So reagierte Weishäupl 2008 gelassen auf die Weigerung der damaligen First Lady Marga Beckstein, zum Anstich ein Dirndl anzulegen. „Das ist von den Medien hochgespielt worden“, sagt die Ex-Wiesn-Chefin rückblickend. Aber auch Politiker schalteten sich seinerzeit ein. Der damalige Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) spottete über den Dirndl-Boykott: „Jeder kann kommen, wie er mag, und zeigen, dass er dazugehört. Man darf aber auch zeigen, dass man nicht dazugehört.“ Amüsiert weist Weishäupl darauf hin, dass Ude in den ersten Jahren als OB in der Anzapfbox alles andere als Tracht getragen hatte. „Im Straßenanzug kam er daher“, sagt die 68-Jährige. Irgendwann habe ihm dann eine Freundin eine Lederhose aufgezwungen. „Dann kam er mit Lederhose – aber so fesch, das hätte ich ihm gar nicht zugetraut.“

Heute könne man „gar nimmer ohne Tracht nausgehn“, konstatiert Weishäupl in breitem Bairisch. „Übrigens hat es das Fest auch schöner gemacht. Es sieht doch lieblich aus, wenn die Frauen im Dirndl kommen und die Männer in feschen Lederhosen.“

Über die Jahre wurde die Wiesn aber nicht nur traditioneller, sondern auch friedlicher: Vor 30 Jahren gab es laut Weishäupl viel mehr Schlägereien. „Die Besucher haben sich anders aufgeführt. Der Boden war bedeckt mit Scherben.“ Das habe sich erst mit dem Verbot geändert, Maßkrüge aus den Festzelten mitzunehmen, sowie mit der Einführung von Maßkrugwachen an den Ausgängen der Festhallen.

Schon früh hatte Weishäupl als Wiesn-Chefin dem „wilden Bieseln“ den Kampf angesagt. „Das ist eine Sauerei, eine Unverschämtheit“, echauffiert sie sich noch heute. Sie erreichte, dass „dieses typisch männliche Delikt“ als Ordnungswidrigkeit in die Oktoberfestverordnung aufgenommen wurde und nun mit einem saftigen Bußgeld geahndet wird. Ihr Feldzug gegen die Wildbiesler sorgte in ganz Deutschland für Aufsehen. In ihrem Erinnerungsbuch an ihre Amtszeit („I bin der Max. Die schönsten Geschichten der Wiesn-Chefin“, Rosenheimer Verlagshaus, 2014) widmet Weishäupl dem wilden Bieseln und dem Zustand der Oktoberfest-Toiletten ein ganzes Kapitel. Allerdings räumt die 68-Jährige im Gespräch ein, dass sie auf diesem Feld keinen Sieg auf ganzer Linie vermelden kann: „Es ist mir leider nicht in Gänze gelungen, den Herren dieses Delikt auszutreiben.“

Als großen Erfolg aber wertet die promovierte Kommunikationswissenschaftlerin ihren Einsatz gegen eine Kommerzialisierung der Wiesn. „Worauf ich besonders stolz bin, ist die Einführung eines Werbe- und Promotionsverbots“, erzählt sie und berichtet vom Jahr 2006, als Verona Pooth in der Käfer-Schenke eine Modenschau veranstaltete und Hotelerbin Paris Hilton im Hippodrom für eine goldene Prosecco-Dose werben wollte. „Die ausufernde Vermarktung der Wiesn musste man bremsen.“ Jetzt ist es dank zweier Paragrafen verboten, die Wiesn für Werbezwecke zu missbrauchen.

Auch wenn das Lächeln aus Weishäupls Gesicht nie zu weichen scheint – dass sie als Wiesn-Chefin sehr unnachgiebig sein konnte, musste selbst FC-Bayern-Legende Uli Hoeneß lernen, wie in ihrem Buch zu lesen ist. „Sein Verein hatte auf dem Oktoberfest einen Fanshop einrichten wollen, und ich hatte das abgelehnt“, schreibt sie. Hoeneß habe zum Hörer gegriffen und sie angerufen. „Ich bin in meinem Leben selten so beschimpft worden wie bei diesem Gespräch.“ Er habe gebrüllt, dass die Stadt München gar nicht honoriere, was sie am FC Bayern habe. Weishäupl blieb hart. „Der Souvenirstand wurde außerhalb unseres Geländes errichtet, aber bald wieder aufgelöst. Hat sich wohl nicht rentiert.“

Stolz ist Weishäupl auch auf die Oide Wiesn, die erstmals 2010 öffnete. Durch sie sei das Oktoberfest sanfter geworden, „eine Art Gemütlichkeitskorrektiv für Familien und ältere Leute“. Darüber hinaus sei das Oktoberfest über die Jahre schöner geworden – die Geschäfte, die Beleuchtung und die Einrichtung in den Zelten, alles hübscher und gepflegter. Das Essen sei auch besser als vor 30 Jahren, das Angebot an Speisen größer. Die Kehrseite: „Alles ist massiv teurer geworden.“ Bis heute gelingt es Weishäupl nicht, über die Festwiese zu gehen, ohne in Gedanken Besucherzahlen zu schätzen oder Müll aufzuheben. „Ich habe immer noch den geschärften Blick.“ Anders als zur Zeit als Wiesn-Chefin gönnt sie sich heute aber auf dem Oktoberfest schon einmal „a Schluckerl“ Bier. Früher war dort Alkohol für sie tabu.