München
Petrus und die Sicherheit

Aus einer Klage der Wiesn-Schausteller über das Wetter ist ein handfester Streit mit den Wirten geworden

23.09.2016 | Stand 02.12.2020, 19:16 Uhr

Foto: DK

München (DK) Wer auf die Wiesn kommt, kommt in der Regel in Einheitskleidung. Kaum jemand wagt sich noch ohne Tracht aufs Oktoberfest in München. Zu Beginn dieser Woche wird diese Einheitskleidung aber durch eine andere abgelöst: Dirndl und Lederhosen sind auf den Straßen der Theresienwiese kaum noch zu erkennen, sie verschwinden überall unter ausladenden Regenponchos und bunten Regenschirmen.

Aber was heißt eigentlich überall? Denn auf den Straßen herrscht zumeist weitgehende Leere. Nur halb so viele Besucher wie im Vorjahr werden gezählt und die, die kommen, suchen sich schleunigst einen Unterschlupf. Beispiel Montag: Wer die Wiesn erreicht und die Sicherheitskontrollen passiert hat, hält sich nicht lange draußen auf. Schon am Vormittag steuern fast alle Besucher ohne Umwege schnurstracks in die großen Bierhallen. Schließlich ist es der dritte Non-Stop-Regentag in Folge.

Und es ist auch der Tag, der das Fass bei Edmund Radlinger zum Überlaufen bringt. In mehreren Medien beklagt sich der Sprecher der Oktoberfestschausteller und -marktkaufleute über massive Umsatzeinbrüche, spricht sogar davon, dass einige seiner Kollegen wegen Depressionen und Existenzängsten psychologische Betreuung bräuchten. Auf 70 bis 75 Prozent beziffert der Betreiber des Weißbiergartens im Gespräch mit unserer Zeitung nun den Einnahmenrückgang bei vielen der mehr als 400 Kleinbetriebe. "Bei dem Wetter hat natürlich keiner Lust zum Flanieren", sagt er. Nur wer ein Dach über dem Kopf habe - etwa die Autoscooter-Betreiber -, habe noch ein bisschen was verdient.

Doch das alleine ist aus Radlingers Sicht noch keine hinreichende Erklärung für den massiven Besucherrückgang zu Beginn der Wiesn. Neben dem Wettergott hat er noch einen weiteren Widersacher ausgemacht: die Stadt und ihr Sicherheitskonzept, das er als "überzogen" ansieht. Bei der Menge an Ordnern "vergeht einem die Lust", kritisiert er. Er wünsche sich mehr Feingefühl, ob man noch einmal 100 Sicherheitskräfte mehr brauche oder nicht.

Die Stadt macht zwar keinen Rückzieher bei den Kontrollen, passt an diesem Wochenende aber zumindest ihr Zugangskonzept an, um mehr Menschen in die Schaustellerstraße zu leiten. So sollen die Besucher, die mit der U-Bahn an der Haltestelle Theresienwiese ankommen, nun nicht mehr beim Haupteingang, sondern bei den Fahrgeschäften auf das Festgelände kommen.

Den Zustrom in die großen Bierzelte dürfte aber auch das nicht aufhalten. Und bei den Wirten hält sich der Umsatzschwund offenbar ohnehin in Grenzen, wie ein in den vergangenen Tagen viel zitierter Vergleichswert zeigt. Trotz 50 Prozent weniger Wiesn-Gästen wurde am Auftaktwochenende nur ein Ochse weniger verspeist als im Vorjahr.

Auch deswegen haben die Schausteller auf Unterstützung durch die Wirte der großen Zelte gehofft. Doch entstanden ist daraus ein handfester Streit. Die Wirte könnten doch bei Zeltplatzreservierungen zehn Euro in Form von Wertmarken für die Fahrgeschäfte mitverkaufen, so Radlingers Vorschlag. "Und jetzt hat der Roiderer halt einen provokanten Satz gesagt", erklärt er.

Gemeint ist der Sprecher der Wiesn-Wirte, Toni Roiderer, der den Schaustellern via "Focus Online" eine "neidgeprägte Denkweise" unterstellt hat. Inzwischen wird darüber diskutiert, wer denn auf dem Oktoberfest besser ohne wen auskommen würde: Bierzelte ohne Fahrgeschäfte oder andersherum? Nach dem Oktoberfest-Halbzeit-Wochenende soll es am Montag einen Friedensgipfel zwischen Roiderer und Radlinger geben. Die beiden würden sich mal besprechen, sagt der Schaustellervertreter. Vorwegnehmen wolle er aber nichts. Roiderer ist für ein Statement am Freitag nicht zu erreichen.

Möglicherweise bessert sich aber bis zum Montag auch die Stimmung, und das Treffen verläuft etwas entspannter. Denn am Italiener-Wochenende und auch in den Tagen danach, soll sich das gute Wetter der vergangenen Tage fortsetzen. Das Wirtschaftsreferat rechnet mit deutlich mehr Besuchern - gute Aussichten also auch für die leidgeprüften Schausteller, dass Riesenrad und Achterbahnen deutlich mehr Fahrgäste anlocken. "Petrus ist eben doch ein Münchner", meint Radlinger dazu. Dass sich das miese Geschäft der Anfangstage wieder wettmachen lässt, glaubt er aber nicht: "Was weg ist, ist weg."