Wolfratshausen
Ex-Großmetzger beteuert seine Unschuld

Früherer Chef der insolventen Wurstfabrik Sieber steht in Wolfratshausen vor Gericht

24.04.2017 | Stand 02.12.2020, 18:15 Uhr

Er wehrt sich: Dietmar Schach (Mitte), ehemaliger Chef der insolventen Wurstfabrik Sieber, wies gestern beim Prozessauftakt im Wolfratshausen alle Vorwürfe zurück. - Foto: Stäbler

Wolfratshausen (DK) Seit fast einem Jahr ist die Großmetzgerei Sieber pleite. In Produkten der Firma waren gesundheitsgefährdende Bakterien gefunden worden. Die Behörden schlossen den Betrieb. Nun steht der einstige Firmenchef vor Gericht. Der 52-Jährige ist sich keiner Schuld bewusst.

Dietmar Schach wirkt im Gerichtssaal in Wolfratshausen wesentlich frischer als noch vor knapp einem Jahr. Damals trat der Inhaber und Geschäftsführer der Großmetzgerei Sieber sichtlich gezeichnet vor die Presse und warf den Behörden vor, sein Unternehmen "plattmachen" zu wollen. Zuvor hatten Lebensmittelkontrolleure im März 2016 verseuchte Wurstwaren der Firma aus Geretsried bei München entdeckt. In der Folge riet das bayerische Verbraucherschutzministerium vom Verzehr von Sieber-Produkten ab, das Landratsamt verhängte einen Produktionsstopp. Wenig später musste die Großmetzgerei mit 120 Mitarbeitern Insolvenz beantragen.

Damals klagte Schach, dass an seiner Firma ein "Exempel statuiert" werde. Später verwies auch der Insolvenzverwalter Josef Hingerl auf die vorangegangenen Skandale um Müller-Brot und Bayern-Ei, weshalb die Behörden im Fall Sieber "überreagiert" hätten. Hingerl will in wenigen Tagen eine Klage gegen den Freistaat Bayern einreichen und mehr als 13 Millionen Euro Schadensersatz fordern. Der Grund: "Das Landratsamt hätte niemals die gesamte Produktion einstellen dürfen."

Doch nicht etwa wegen der Insolvenz oder des Vorgehens der Behörden sitzt Dietmar Schach an diesem Tag auf der Anklagebank im Amtsgericht Wolfratshausen. Vielmehr wird dem 52-Jährigen das "vorsätzliche Inverkehrbringen gesundheitsschädlicher Lebensmittel" vorgeworfen. Dabei geht es anders als bei der angestrebten Zivilklage gegen den Freistaat nicht um Millionen, sondern um 2250 Euro, die Schach laut eines Strafbefehls hätte bezahlen sollen. Dagegen hat der Unternehmer jedoch Einspruch eingelegt, weshalb es nun zur Verhandlung kommt.

Was er momentan beruflich mache, fragt Richter Helmut Berger zu Verhandlungsbeginn. "Gar nichts", antwortet Schach, fast schon trotzig. Und auf Nachfrage: Er sei "arbeitssuchend". Später werden seine Anwälte angeben, dass ihr Mandant für sein Unternehmen Bürgschaften in Höhe von drei Millionen Euro übernommen hat. Auch die Tatsache, dass der Strafbefehl über 2250 Euro anhand von 150 Tagessätzen berechnet wurde, legt die Annahme nahe, dass Schach infolge der Insolvenz seiner Firma finanziell ruiniert ist.

Nach den Angaben zur Person verliest der Staatsanwalt die Anklage, deren Vorwürfe weitreichender sind als bisher bekannt. So sollen bereits 2013 in zwei Proben von Debreczinern, die Sieber selbst in Auftrag gegeben hatte, erhöhte Listerienwerte festgestellt worden sein. Dieser Befund hätte dem Landratsamt als Aufsichtsbehörde gemeldet werden müssen, doch das sei ebenso wenig passiert wie bei späteren Auffälligkeiten im Jahr 2015, so die Anklage. Erst im März 2016 erfuhr die Behörde durch die Lebensmittelkontrolleure von jenem "Original Bayerischen Wacholderwammerl", dessen Belastung mit Listerien 2000-fach über dem zulässigen Grenzwert lag - und das die Causa Sieber ins Rollen brachte.

Eine Infektion mit diesen Bakterien verläuft bei gesunden Menschen meist harmlos; bei Kindern, Älteren und Schwangeren dagegen kann die meldepflichtige Listeriose-Krankheit schwere Folgen haben und sogar zum Tod führen. Nach den Erkenntnissen des Robert-Koch-Instituts steht der im Sieber-Wammerl gefundene Bakterienstamm mit hoher Wahrscheinlichkeit in Zusammenhang mit einem Listeriose-Ausbruch in Süddeutschland seit 2012. Bei diesem sollen mehr als 70 meist ältere Menschen erkrankt sein, acht von ihnen starben.

Schach hat alle Vorwürfe vonseiten der Behörden stets bestritten, und das tut der Ex-Firmenchef auch diesmal im Gericht - mit ruhiger Stimme, den Blick starr geradeaus, die Hände unterm Tisch gefaltet. Wie es in seinem Innern wohl brodeln mag, das blitzt nur einmal hervor, als der Angeklagte mitten im Satz innehält, tief durchschnauft und erst nach einer Pause fortfährt. Seiner Aussage zufolge seien in dem Strafbefehl gegen ihn "Vermutungen zur Wahrheit umgewandelt" worden. Und er betont: "Ich hätte nie im Leben zugelassen, dass Produkte, die für den Menschen eine Gefahr darstellen, auf den Markt kommen." Genau davon ist die Anklage aber überzeugt. Demnach habe Dietmar Schach billigend in Kauf genommen, dass Lebensmittel mit Listerien in den Verkehr gelangten.

Für die Verhandlung in Wolfratshausen sind zwei Tage angesetzt. Morgen soll das Urteil fallen.