Wettstetten
Wenn der Maibaum bedrohlich wankt

31.03.2015 | Stand 02.12.2020, 21:28 Uhr

Das war einmal ein Maibaum: In Wettstetten drohte gestern der über 25 Meter hohe Stamm im Sturm auf das Haus zu fallen, in dem Angelika Baumeister (vorn) lebt. Er wurde sicherheitshalber gefällt und zu Brennholz zersägt - Foto: Schattenhofer

Wettstetten (DK) Ihr Gesicht ist aschfahl, ihre Augen starren unentwegt auf die Maibaumspitze, die mit jeder neuen Sturmböe arg ins Schwanken gerät. Die Frau scheint mit zu schwanken. Der über 25 Meter hohe, weiß-blau gestrichene Stamm kracht und ächzt und splittert: Jeden Moment droht er auf das nahe gelegene kleine Haus zu fallen.

Das Haus, in dem Angelika Baumeister seit zehn Jahren wohnt. Die 57-Jährige bringt kaum einen Ton heraus: „Mir ist ganz schlecht vor Angst. So ein Schock. Und das schon zum zweiten Mal.“

Sie war gerade in Ingolstadt unterwegs, als ihr Sohn Patrick sie anruft: „Mama, die Feuerwehr hat geklingelt und gesagt, dass ich sofort aus dem Haus muss.“ Da ist es gegen drei Uhr nachmittags. Rasch sichert die Freiwillige Feuerwehr der Gemeinde im Ingolstädter Norden den Maibaum mit Gurten am Fundament, sperrt die Schelldorfer Straße und fordert einen sogenannten Harvester an, der normalerweise bei Fällarbeiten eingesetzt wird. Doch das Fahrzeug kommt und kommt nicht. Denn überall auf den Waldwegen und Straßen liegen an diesem stürmischen Tag umgestürzte Bäume im Weg. Zweiter Feuerwehrkommandant Alexander Meier, der Einsatzleiter, wird langsam nervös von der Warterei.

Und erst recht Angelika Baumeister. „Hoffentlich kommt dieser Harvester bald“, flüstert sie und ballt ihre Hände in den Jackentaschen. „Im Haus sind noch meine vier Hunde.“ Vier oder fünf Jahre ist es her, da wäre der Wettstettener Maibaum fast schon einmal auf das Haus gefallen, in dem die Familie Baumeister zur Miete lebt. „Damals haben sie das Fundament erneuert und mir geschworen, dass nichts mehr passiert.“

Von wegen. „Das gibt mir den Rest“, sagt Angelika Baumeister, aber sie blickt so fest auf diesen Maibaum, als wolle sie ihn mit ihrem Blick festhalten, fixieren. Endlich. Endlich kommt schnaufend der Harvester um die Kurve, krallt sich kurzerhand den Stamm und knickt ihn um wie ein Streichholz. „Fünf Tonnen Hubkraft“, erklärt Werner Friedbauer am Steuer. Angelika Baumeister hockt sich auf den erlegten Maibaum und lächelt schwach, noch immer ganz blass um die Nase. In Windeseile montieren die Feuerwehrmänner die zwölf Taferl ab, dann kreischt die Motorsäge auf und der Wind wirbelt die Späne auf. Im Nu ist der Maibaum in handliche Stücke zerlegt und Brennholz geworden. Die Feuerwehrmänner rücken ab zum nächsten Einsatz.

Noch einmal gut gegangen, meint Angelika Baumeister, die gebangt hat wie etliche andere Menschen an diesem stürmischen Tag. „Jetzt geh’ ich heim und trink’ ich in aller Ruhe ein Glaserl Wein.“