Nürnberg
Wegbereiter der Aufarbeitung

Ausstellung würdigt Fritz Bauer - Er hat Deutschland mit seiner der Vergangenheit konfrontiert

20.03.2018 | Stand 02.12.2020, 16:40 Uhr
Die Rückkehr nach Deutschland war für Bauer ein Wendepunkt, der das Ende von Krieg, Verfolgung und Exil bedeutete. −Foto: Dokuzentrum

Nürnberg (HK) Als Nestbeschmutzer ist Fritz Bauer einst verunglimpft worden. Heute gilt der Staatsanwalt als Wegbereiter der Aufarbeitung der nationalsozialistischen Vergangenheit.

Die Geschichte dieses Landes hat Fritz Bauer nachhaltig geprägt und verändert. Heutige Prozesse gegen Kriegsverbrecher wie den ehemaligen KZ-Wachmann John Demjanjuk hätten ohne die Vorarbeit des häufig angefeindeten Staatsanwaltes so wohl nicht stattfinden können. Das Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände in Nürnberg würdigt in einer Ausstellung das Leben dieses aufrechten und wehrhaften Demokraten.

Eine Frau wandert konzentriert durch die Ausstellung. "Bei uns in der Familie wurde über den Auschwitz-Prozess nicht viel geredet." Der Staatsanwalt mit den markanten Zügen sei ihr seit der Kindheit trotzdem gut in Erinnerung geblieben. "Nun will ich mehr über die Person erfahren", sagt die Ausstellungsbesucherin und bewegt sich weiter zwischen den Stationen eines aufregenden wie aufreibenden Lebens.

Im ersten Raum geht die Schau auf die Person hinter dem berühmten Ankläger ein. Von der Jugend bis zur Rückkehr aus dem Exil in die Heimat zeichnet die genauso detail- wie kenntnisreiche Ausstellung den Lebensweg des 1903 in Stuttgart geboren Sozialdemokraten nach. Bauer wurde in ein bürgerlich-jüdisches Elternhaus der Kaiserzeit geboren. Entgegen den Wünschen des deutsch-nationalen Vaters entwickelte sich Bauer früh zum Linksradikalen. Drei Jahre nach der Machtergreifung trieben ihn die Nationalsozialisten im Jahr 1936 ins Exil nach Dänemark.

Unter halsbrecherischen Umständen musste er von dort 1943 auf Fischerbooten weiter nach Schweden fliehen. Diese für ihn prägende Exilzeit bildet einen Schwerpunkt der Ausstellung, die vom Fritz Bauer Institut in Kooperation mit dem Jüdischen Museum Frankfurt mit viel Originaldokumenten und Multimedia hervorragend konzipiert worden ist. Erstmals können darin Auszüge aus der umfangreichen Akte gezeigt werden, die die dänische Ausländerbehörde über Jahre hinweg führte. Sie dokumentiert nicht nur die Anerkennung als politischer Flüchtling mit Hilfe dänischer Sozialdemokraten. Sie beweist auch ziemlich unzweideutig, weshalb Bauer heute ganz offiziell - obwohl er sich selbst nie dazu bekannte - als homosexuell gilt.

Zunächst konnten Bauer die Kontakte, die er während des Krieges im schwedischen Exil zu führenden Exilanten wie dem späteren SPD-Bundeskanzler Willy Brandt knüpfte, bei seiner Rückkehr nach Deutschland nicht helfen. In seiner Heimatstadt Stuttgart hat man den linken Juristen keinen Job geben wollen. Erst mit Hilfe des großen SPD-Parteivorsitzenden Kurt Schuhmacher hat Bauer im Jahr 1949 eine herausgehobene Position am Landgericht Braunschweig bekommen. Diese Stelle hat Bauer schnell dazu genutzt, das beschämende Schweigen der Nachkriegsgesellschaft zu den NS-Verbrechen zu beenden.

Den wichtigen Prozessen, die heute mit seinem Namen untrennbar verbunden sind, ist der zweite Raum dieser sehenswerten Schau gewidmet. Schlagartig in den Blick der Öffentlichkeit hat sich Bauer als Ankläger im "Remer-Prozess" bereits im Jahr 1952 katapultiert. Das Verfahren gegen einen rechten Politiker rehabilitierte die Hitler-Attentäter vom 20. Juli 1944. Anfang der 60er Jahre hat Bauer mit seiner Anklage gegen 22 Beschäftigte aus dem KZ-Auschwitz die junge Bundesrepu-blik genauso gründ-lich wie nachhaltig mit ihrer Vergangenheit konfrontiert. Seit dem Verfahren gegen die Wachmänner des Massenmordes hat kein Weg mehr an der Anerkennung des schrecklichen Menschheitsverbrechen vorbeigeführt.

Seine Vorstellung von der Schuld der Beteiligten allein durch ihre "Mittäterschaft" zur geplanten Vernichtung ließ sich hingegen damals vor Gericht nicht durchsetzen. Weil den meisten Angeklagten keine individuell gewollten Einzelverbrechen nachgewiesen werden konnten, entschied die Justiz seinerzeit meistens "nur" auf Beihilfe zum Mord. Erst vor wenigen Jahren, im Verfahren gegen den ehemaligen KZ-Wachmann John Demjanjuk, folgte das Gericht in München dieser wegweisenden Argumentation. Bauer hat diesen Triumph freilich nicht mehr miterleben können. Bereits im Juli 1968 wurde er tot in der Badewanne seiner Wohnung in Frankfurt aufgefunden. Entgegen der jüdischen Tradition wurde Bauer eingeäschert und die Urne in Schweden bestattet.

Zu sehen ist die Ausstellung "Fritz Bauer. Der Staatsanwalt" noch bis zum 3. Juni im Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände Nürnberg. Mehr Informationen gibt es im Internet unter www.museen.nuernberg.de.