Ingolstadt
Was macht die Schabe im Brot?

Foodwatch prangert Hygienemängel in einigen Bäckereien an – Kritik an Informationspolitik

28.06.2017 | Stand 02.12.2020, 17:52 Uhr
Einer der beanstandeten Betriebe öffnete demonstrativ die Türen, um zu zeigen, dass die beanstandeten Mängel abgestellt sind. −Foto: Peter Kneffel (dpa)

München (DK) Unappetitlicher kann es kaum sein – mit seinem Bericht über die Zustände in einigen bayerischen Großbäckereien hat der Verbraucherinformationsverein Foodwatch gestern aufgeschreckt. Die Rede ist von Dreck, Käfern, Mäusekot und Schaben in Backwaren – und der Kunde erfahre davon nichts.

Fünf Jahre nach dem Hygieneskandal in der Großbäckerei Müller stellt Foodwatch die Frage: Hat die Politik aus dem damaligen Fall gelernt? Und gibt auch gleich die Antwort: Nein, wie die neuerlichen Vorgänge zeigen würden. Obwohl bei 69 Kontrollen in acht bayerischen Großbäckereien zwischen 2013 und 2016 teils erhebliche Mängel aufgeflogen waren, wissen die Verbraucher offiziell nichts. Auch Foodwatch musste erst das Verbraucherinformationsgesetz bemühen, um Auskunft zu erhalten und von ekelerregenden Zuständen zu hören.

Drei Unternehmen hatten besonders schlecht abgeschnitten. So sei im März 2015 nach einer Kundenbeschwerde in einem Brot der niederbayerischen Bäckerei Bachmeier laut Gutachten des Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) eine Deutsche Schabe entdeckt worden. Kontrollen hatten weitere Mängel aufgedeckt, heißt es in dem gestern vorgelegten Foodwatch-Report. Die Rede ist von Mäusekot und -urin sowie von „unübersehbaren“ Fraßspuren im Warenlager, von Schimmel im „Sahneraum“ und von Kondenswasser, das auf Kuchen tropft.

Kaum besser soll es im Hause „Der Beck“ in Erlangen zugegangen sein. Nach früheren Beanstandungen im Jahr 2009 (Mäusekot im Rohwarenlager, Käferspuren im Mehl, „schleimige Ablagerungen“ an den Wasserzuleitungen) soll es zwischen 2013 und 2016 zu „teilweise zahlreichen Rechtsverstößen“ gekommen sein, wie Kontrolleure festhielten. Das LGL stellte unter anderem die „Kotpille eines Kleinsäugers“ in einer Weizensemmel fest, außerdem Metallspäne in Apfelzimtkuchen, Keime in der Sahne und Schimmel an Nusstaschen.

Die Landbäckerei Ihle aus Friedberg mit Filialen auch im Verbreitungsgebiet unserer Zeitung gehörte laut Foodwatch im fraglichen Zeitraum ebenso zu den auffälligen Firmen. „Schaben, Käfer, Mäusekot“, lautet die Überschrift zu diesem Kapitel des Skandalberichts. Das LGL soll von 2013 bis 2016 in sieben Fällen Fremdkörper in Ihle-Backwaren gefunden haben, darunter Metallspäne und einen Plastikstreifen. „Zu den Mängeln zählen unter anderem stellenweise massiver Käferbefall; Schabenbefall; Mäusekot“, heißt es nach der Routinekontrolle einer LGL-Spezialeinheit im Juni 2014.

Eine amtliche „Zwangsmittelandrohung“ soll wirkungslos geblieben sein: „Bei der Nachkontrolle im Oktober 2014 werden erneut ekelerregende Mängel dokumentiert. Die Kontrolleurinnen und Kontrolleure stellen einen deutlich sichtbaren Schädlingsbefall von Schaben und Käfern in der Krapfenanlage fest“, zitiert Foodwatch. Im März 2016 erklärte Ihle gegenüber der Organisation, „die 2014 entstandenen Mängel“ erkannt und „deren Beseitigung entsprechend unserer Unternehmensphilosophie entschlossen und nachhaltig in Angriff genommen“ zu haben.

Foodwatch betont, dass sich alle Informationen auf die Jahre 2013 bis 2016 beziehen. Die drei besonders auffälligen Betriebe reagierten gestern unter dem öffentlichen Druck und versicherten, die Mängel seien abgestellt. „Wir möchten uns bei unseren Kunden entschuldigen“, ließ Willy Ihle in Friedberg mitteilen. Im Stammbetrieb seien bisher 4,4 Millionen Euro für die Sanierung investiert worden. Das schwäbische Unternehmen will künftig auf Transparenz setzen und bietet den Kunden Besichtigungen an.

Auf mehr Information setzt auch Foodwatch. Die genannten Zustände seien keine Einzelfälle und kein bayerisches Phänomen, sondern ein bundesweites Problem. Behörden dürften nicht länger schweigen, Verstöße müssten veröffentlicht werden, der Verbraucher habe ein Recht darauf. Das würde den Druck auf die Betriebe erhöhen.

In der Bäckerbranche war der Skandalbericht gestern Tagesthema. „Je größer ein Betrieb ist, desto schwieriger wird es natürlich. Da ist viel Eigenverantwortung gefragt“, sagte Thomas Margraf aus Obereichstätt, Innungsobermeister im Ingolstädter Raum. „Wir thematisieren das auch in unseren Versammlungen.“ Er selbst hat neben den behördlichen Kontrolleuren zusätzlich eine Hygienefirma beauftragt, seinen Betrieb zu prüfen. „Solche Skandale sind für uns immer Anlass zu prüfen, ob man selber alles richtig macht“, erklärte sein Kollege Eugen Kloos aus Reichertshofen (Landkreis Pfaffenhofen).

In Ingolstadt, wo noch sechs Bäckerbetriebe existieren, gab es in den vergangenen Jahren „keine groben Hygieneverstöße“, wie Stadtsprecher Michael Klarner eruierte – allenfalls „Beanstandungen im niederschwelligen Bereich“. Unangemeldete Besuche der kommunalen Kontrolleure würden mindestens einmal im Jahr stattfinden.