Vorra
"Wer macht so was"

Die Bewohner von Vorra sind nach dem Brandanschlag auf geplante Flüchtlingsunterkünfte fassungslos

12.12.2014 | Stand 02.12.2020, 21:52 Uhr

 

Vorra (DK) In blutroter Farbe leuchten zwei Hakenkreuze an der Hauswand. Daneben steht die ausgebrannte „Krone“. In das einst beliebte Ausflugslokal im Herzen der Hersbrucker Schweiz sollten im Februar rund 70 Flüchtlinge einziehen. Aber daraus wird vorerst nichts.

Unbekannte haben den alten Gasthof und zwei Nebengebäude niedergebrannt. Nur ein „N“ haben sie aus Dummheit oder Eile vergessen: „Kein Asylat in Vorra“ steht in roten Lettern neben den beiden Hakenkreuzen.

Die ganze Republik ist alarmiert. Die Menschen in Vorra sind entsetzt. „Zum Glück haben noch keine Menschen darin gewohnt“, sagt die Bedienung in der Metzgerei. Auf den Straßen ziehen Polizisten von Tür zu Tür und befragen alle 1000 Einwohner. Im Rathaus hat die Polizei ihr Hauptquartier eingerichtet. „Der Brandanschlag hat uns aus heiterem Himmel getroffen“, sagt Bürgermeister Volker Herzog (SPD). Landrat Armin Kroder (FW) fordert „harte Strafen“ für die Täter und wünscht der Polizei bei der Suche viel Glück. Auch Innenminister Joachim Herrmann (CSU) besucht Vorra und kündigt an, die Sicherheitsvorkehrungen für Flüchtlingsunterkünfte in ganz Bayern zu verschärfen.

Wildromantisch muss das Pegnitztal von oben ausschauen. Es gibt eine kleine Insel neben der Brücke über den schmalen Fluss. Felsen ragen schroff aus den bewaldeten Hängen hier und dort hervor. In der Ortsmitte reckt sich der Kirchturm am höchsten in den Himmel. Gleich daneben steht die „Krone“. Die schöne Aussicht haben nach Angaben des Bürgermeister immer wieder auch Rechtsextreme gerne genossen. „Da oben steht das Ferienhaus“, sagt Herzog und zeigt mit dem Finger auf den Hang hinter dem Kirchturm. In den Sommermonaten hätten die Rechtsextremen dort seltsame Lieder am Lagerfeuer gesungen. Zuletzt hätte die Polizei das Anwesen observiert. Seitdem seien die Rechten nicht mehr aufgetaucht. Manche finden das verdächtig. Andere halten die Hakenkreuze für ein Ablenkungsmanöver.

„Wer macht so was“, fragen sich auch die Männer der Freiwilligen Feuerwehr. Aus allen Rohren haben sie in der Nacht gegen die Flammen geschossen. Die meisten sind von der Sirene geweckt worden. Pfarrer Björn Schukat hatte nebenan die Flammen als einer der ersten bemerkt.

Seitdem gibt es kein anderes Thema mehr in Vorra. Viele vergleichen den Brand mit dem Unglück von 1748. Damals brannte das Dorf lichterloh. „Beim Küchlabacken ist es passiert. Nur ein Haus hat die Flammen überlebt“, sagt ein Mann vor dem Tante-Emma-Laden. Nebenan weht die deutsche Flagge im eisigen Wind. Antonio steht vor seiner Pizzeria und schmeißt seine Kippe wütend auf den Boden. „Ich bin schon 30 Jahre hier, aber das ist der Hammer.“

Ein paar Kilometer weiter durch das Tal den Fluss hinab hocken zwei junge Männer aus Äthiopien frierend in einer alten Hollywood-Schaukel. „Wir sind über das Meer mit dem Boot gekommen“, erzählen sie und fragen sich, warum das Polizeiauto nicht mehr vor dem Haus steht. Früher war das Gebäude wie die abgebrannte „Krone“ eine Gaststätte. Nun wohnen 20 Flüchtlinge darin.

Entlang der Pegnitz sind zahlreiche Wirtshäuser verwaist. „Heute fliegen die Leute für die Hälfte des Geldes in die Türkei“, sagt der Bürgermeister. Seit dem Mauerfall setzt man in Vorra notgedrungen auf Tagestouristen.

Rund 750 Flüchtlinge leben derzeit im Landkreis Nürnberger Land. Drei Sozialarbeiter haben die Aufgabe, die im Kreis verstreuten Flüchtlinge zu betreuen. Der bürokratische Dschungel mache alles nicht leichter, kritisiert Herzog. „Der Freistaat tut sich leicht und delegiert die Aufgaben. Leider vergisst er, das benötigte Personal zu schicken“, ärgert sich der Bürgermeister. Am Ende müsse die Kommune sich selbst helfen. Das haben sie auch in Vorra versucht. Schon vor der Ankunft der neuen Flüchtlinge wollten sie die Fremden willkommen heißen.

Nun hofft man, dass die Häuser schnell repariert werden. „Ich habe schon mit dem Eigentümer telefoniert. Er will sich nicht unterkriegen lassen und die Häuser wieder herrichten.“ Rund um die ausgebrannten Häuser arbeitet die Polizei derweil immer noch auf Hochtouren. „Wir tun alles, aber die Spurensuche gestaltet sich sehr schwierig“, sagt ein Mann in weißer Schutzkleidung. Die Dämmerung hat inzwischen eingesetzt über dem Tal. Die roten Schmierereien an der Wand sind in der Dunkelheit nicht mehr zu sehen. Verschwunden sind sie nicht.