Vohburg
Krippenbau als Therapie

11.12.2017 | Stand 02.12.2020, 17:05 Uhr

Eine vertrocknete Wurzel bildet einen Baum, jedes Detail ist liebevoll in Handarbeit hergestellt. "Man braucht viel Geduld, wenn man als Krippenbaumeister arbeitet", sagt Andreas Wermes aus Vohburg. Sein Hobby half ihm aus einer Lebenskrise. - Foto: Richter

Vohburg (DK) Als Andreas Wermes aus Vohburg sich in einer Lebenskrise befand, half die Arbeit mit Holz ihm auf dem Weg zurück in die Normalität. Inzwischen darf er sich Krippenbaumeister nennen, sieht seine Tätigkeit aber als reines Hobby. Jedes Jahr stellt er zwei oder drei Modelle her.

Mit Holz zu arbeiten macht ihm Spaß. Der Geruch, wie es sich anfühlt - "das habe ich eigentlich schon immer gemocht", erzählt Andreas Wermes. Sicher spielt dabei seine Naturliebe eine große Rolle. Der 46-Jährige aus Vohburg (Kreis Pfaffenhofen) streift in seiner Freizeit gern mit seinem jungen Schäferhund durch den Wald bei der Birkenheide, ein schöner Ausgleich zu seiner beruflichen Tätigkeit als Füllaufsicht in der nahe gelegenen Bayernoil-Raffinerie. Wenn er dort draußen unter den Bäumen unterwegs ist, bückt er sich mal hier und mal da, hebt Rindenstücke auf, sammelt Moos, Kieselsteine, Wurzeln oder kleine Äste. Der Forst bedeutet für ihn eine unerschöpfliche Quelle, um Material für sein Hobby zu erhalten. Andreas Wermes ist einer der wenigen Krippenbaumeister im Raum Ingolstadt.

Den gebürtigen Köschinger hatte es 1979 nach Vohburg verschlagen, als junger Mann erlernte er den Beruf des Heizungsbauers. Irgendwann bekam er Probleme mit dem Alkohol, aber er schaffte den Weg aus der Krise. Ein Schlüsselerlebnis während einer Therapie in Haselbach im Bayerischen Wald weckte vor gut acht Jahren sein Interesse am Krippenbau. Andreas Wermes hatte in Niederbayern für vier Monate in einer Schreinerei gearbeitet. "Da ist ein Kollege gewesen, der hat ein wunderschönes Modell von einem Bauernhaus gebaut." Es sollte der Anstoß für den Vohburger sein, es selber einmal zu versuchen, denn "das wollte ich schon immer machen".

Also spuckte er in die Hände, und das Alkoholproblem war bald vergessen. Der Kollege gab ihm zwar viele Tipps, aber anfangs war es gar nicht so einfach: "Ich bin ja aus dem Heizungsbau gekommen, und da muss immer alles gerade und im Lot sein. Das steckt in einem fest drin. Bei so einem Modell ist das ganz anders, plötzlich hat's geheißen ,je schiefer, desto besser'. Das ist mir nicht leicht gefallen." Sein erstes Häuserl steht noch heute im Keller, aber er würde jetzt vieles anders machen - schließlich hat der 46-Jährige seither dazugelernt.

Der Weg zum Krippenbaumeister erfolgte in Etappen. "Als ich wieder zurück in Vohburg war, habe ich begonnen, Nistkästen zu bauen. Die habe ich auf meinen Spaziergängen draußen in den Wald gehängt." Aber irgendwie war eines wie das andere, "nach 30 Stück ist mir das langweilig geworden". Seine Frau hatte eine Idee: Eine Windmühle für den Garten wäre doch eine schöne Sache, fand sie. "Sie war damals meine größte Arbeitgeberin", scherzt Andreas Wermes. Also machte er sich ans Werk, und schon bald war die Mühle fertig.

Seine "bessere Hälfte" war es dann auch, die den 46-Jährigen zum Krippenbau brachte. Wieder einmal stand Weihnachten vor der Tür, aber die Familie Wermes hatte alles Mögliche, nur eben kein Kripperl. "Mach' doch mal sowas, wenn du schon so gerne mit Holz arbeitest", forderte seine Frau ihn heraus. Jetzt war sein Ehrgeiz geweckt, er wollte ihr beweisen, wie ernst es ihm mit seinem Hobby ist. "Ich habe mir Fachbücher gekauft und über meinen Chef in der Bayernoil vom Krippenverein in Freystadt erfahren. Dort bin ich hingefahren, habe denen mal zugeschaut, um dann bald Mitglied zu werden."

Andreas Wermes baute in jenen Vorweihnachtswochen nicht nur eine, sondern gleich drei Krippen. "Sie sind bei der Familie und meinen Arbeitskollegen so gut angekommen, dass sie gleich weg waren. Also habe ich weitergemacht." 2012 begann der Vohburger mit seiner Ausbildung zum Krippenbaumeister und besuchte in vier aufeinander folgenden Jahren jeweils Lehrgänge bei den Klüsserather Krippenfreunden in Rheinland-Pfalz - nach dem zweiten durfte er sich Kurshelfer nennen, nach dem dritten Krippenbaulehrer und vor gut einem Jahr erhielt er seine Ernennungsurkunde zum Krippenbaumeister. Stolz zeigt er sie her.

Längst ist aus dem Anfänger ein Könner geworden. Der Vohburger hat sich eine Band- und eine Kreissäge, Stemmeisen, Fräsen und allerlei Schnitzwerkzeug für seine Kellerwerkstatt angeschafft. Dort entstehen seine Krippen. "Oft mache ich nicht einmal einen Plan, ich mache das gern direkt aus dem Kopf." Ob nun orientalisch ("Da stehen die Frauen mehr drauf.") oder alpenländisch ("Nach so etwas fragen meistens die Männer.") - der frühere Heizungsbauer ist für alles offen. Das perspektivische Bauen ist längst kein Problem mehr, "andere würden dazu krumm und schief sagen", meint er und lacht.

Wenn Andreas Wermes erzählt, möchte man meinen, es sei ganz leicht: Eine Grundplatte bildet das Fundament, darüber kommt eine weitere Platte, um das Gelände zu modellieren. Den Stall baut er aus Weichfaserplatten, um sie dann mit Krippenbaumörtel - er besteht aus Schlämmkreide, Sägemehl und Leim - zu verputzen und wie gemauert aussehen zu lassen. Neben Materialien aus der Natur verwendet der Vohburger alle möglichen Dinge, etwa ausgediente Obstkistl, um Zaunlatten nachzuempfinden. Die filigranen Holzbalken des Miniaturstalls sehen aus wie handbehauen; mit dem Schnitzmesser hat er Riefen hineingeschnitten. "Es soll alles echt ausschauen, nur im Kleinformat."

Gut eine Woche benötigt der 46-Jährige für eine orientalische Krippe, ein alpenländisches Modell mit seinen vielen Details ist erst nach drei Wochen fertig. Da muss er Felsen und Bodenbeläge gestalten, Holzschindeln einzeln aufleimen, Bäume und Büsche aus Wurzelstücken oder Zweigen formen oder kleine Details wie Sitzbänke und Holzkübel herstellen. Das "Fassen" der Krippe, wie Fachleute die farbliche Gestaltung nennen, bedeutet ebenfalls eine Herausforderung. Bei alledem achtet Andreas Wermes auf Schlichtheit. "Das Ganze muss stilecht bleiben - ich mag es nicht, wenn an den Fenstern Gardinen hängen oder ein Kachelofen und ein Bettgestell im Stall stehen."

Geld verdienen wollte Andreas Wermes mit seinem Hobby nie. "Ich verschenke alle meine Krippen in der Familie, an gute Freunde oder Arbeitskollegen. Da verlange ich nicht mal etwas fürs Material." Die Übergabe ist offenbar ein sehr emotionaler Augenblick. "Die meisten haben richtig Tränen in den Augen, wenn sie ihre Weihnachtskrippe das erste Mal sehen. Dieser Moment ist immer der schönste und für mich Belohnung genug für meine Arbeit."