Beilngries
Über den Tellerrand hinausschauen

Wie regionaltypische Küche den Weg in die Betriebsgastronomie in Bayern finden soll

09.04.2018 | Stand 23.09.2023, 2:52 Uhr
Gebratenes Zanderfilet in Rieslingsauce, dazu Gemüsegnocchi: Küchenchefin Klara Brandmüller vom ABG-Tagungszentrum bei Beilngries und ihr Team legen Wert auf ausgewogene Kost. −Foto: Richter

Beilngries (DK) Schluss mit der fetten Pizzaschnitte oder den Pommes zu Mittag - das bayrische Landwirtschaftsministerium möchte regionaltypische Küche in den Betriebsgastronomien etablieren und hat im dritten Jahr ein Projekt am Laufen. Das Ziel: Auch wer mittags "nur" in die Firmenkantine geht, soll ausgewogenes Essen bekommen. Das Interesse ist durchaus groß.

Die Initiative soll noch von Helmut Brunner ausgegangen sein, bis vor drei Wochen war er der Landwirtschaftsminister in München. Als Multiplikatoren der Idee sind Fachkräfte der Ämter für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) unterwegs. Worum geht es? "Viele Leute essen heutzutage oft auswärts und nicht mehr daheim", erklärt Bettina Knoll vom AELF Fürstenfeldbruck, das bei diesem Projekt unter anderem für Ingolstadt und die angrenzenden Landkreise zuständig ist. "Sie sollen sich auch in der Firma gut, mit Genuss und qualitätsvoll ernähren können." Die Ökotrophologin berät Firmen, Gesundheits- und Sozialeinrichtungen, wie deren Küchen gesünder kochen können. Ihre Kollegen sind in derselben Mission auch in Schulen und Kindertagesstätten, unterwegs.

"Es geht um Wertschätzung für Lebensmittel, aber auch für die Arbeit des Gastonomiepersonals und natürlich um den Gesundheitsaspekt. Was kann ich auf den Tisch bringen? Wie oft in der Woche gibt es Fleisch oder Fisch, damit die Versorgung mit den wertvollen Omega-3-Fettsäuren stimmt?", sagt Bettina Knoll. "Wir machen erst einmal eine Bestandsaufnahme: Was ist da, was ist machbar? Jedes Unternehmen ist anders, da gibt es keine Standardrezepte. Unter dem Strich sollen die Gäste eine möglichst ausgewogene Ernährung bekommen. Wir legen Wert auf regionale Gerichte und saisonale Angebote - also keine Erdbeeren im Januar von irgendwoher. Dadurch entsteht automatisch ein abwechslungsreiches Angebot." Kurze Lieferwege würden die Umwelt schonen und Frische garantieren. "Es ist nicht immer einfach, aber wenn man will, klappt es."

Mitmachen kann jedes interessierte Unternehmen, die Beratung ist kostenlos. Drei bis fünf Treffen sind nötig, um konzeptionell auf regionale Produkte umzustellen. "Da kannst du nicht einfach loslegen", sagt Bettina Knoll. Drei Bereiche seien zu beachten: "Der Einkauf - wo kann ich regional einkaufen, was bedeuten die einzelnen Siegel, wer bietet in der Nähe Bio-Produkte an? Das alles muss man klären." Das zweite Modul bestehe aus der Gestaltung eines ausgewogenen Angebots. "Die Speisepläne werden für vier bis sechs Wochen erarbeitet, nicht nur für ein paar Tage. So bleibt die Abwechslung sichergestellt." Ob Fisch, Fleisch, Gemüse Kartoffeln, Nudeln, Salat, Obst oder Vegetarisches, alles solle auf den Tisch. Nicht zu oft, aber auch nicht zu selten.

Die Ämter für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten verteilen dicke Kochbücher ("Bayrische Gerichte"), herausgegeben vom Kompetenzzentrum für Ernährung unter dem Dach der Landesanstalt für Landwirtschaft, mit Rezepten zahlreicher Schmankerl. Ob nun Böfflamot vom heimischen Rind mit Semmelknödeln, saures Kartoffelgemüse, Schweinefleischstreifen und fränkisches Kraut, Lachsforelle mit Kräuter-Senf-Kruste und und und - es ist für jeden Geschmack etwas dabei. Die Rezepte sind vielfältig und jeweils für 100 Gäste ausgelegt.

Das dritte Modul der Beratung neben Einkauf und Planung betrifft die Kommunikation. "Es ist wichtig, dass die Mitarbeiter in den Küchen miteinander sprechen, die Umstellung auf regionaltypische Kost als gemeinsames Ziel ansehen und auch die Betriebsführung ins Boot holen", erläutert Bettina Knoll. Auch die Beschäftigten als Nutzer der Gastronomie müssten "abgeholt" werden, indem sie erfahren, was da auf den Tisch kommt - nämliche Regionales in bester Qualität. "Da kann man auch mal das Intranet nutzen und Appetit machen, wenn man zum Beispiel eine Spargelwoche oder andere Spezialitäten ankündigt."

Das Projekt des Landwirtschaftsministeriums trägt den Titel "Nährwert mit Mehrwert" und befindet sich im dritten Jahr. Die Resonanz sei gut, es spreche sich herum, heißt es. Gestern besuchte Bettina Knoll das ABG-Tagungszentrum in Beilngries (Kreis Eichstätt). 300 bis 400 Mittagessen am Tag werden dort zubereitet. "Wir haben mal Lust gehabt, etwas anderes zu machen und über den Tellerrand hinauszuschauen", sagt Leiterin Andrea Kraus. "Es schadet außerdem nie, wenn jemand von außen mal die Abläufe ansieht." Die Chefin begrüßt die Abwechslung in der Küche, die Umstellung auf regionaltypische Kost erfolgt nach und nach. "Obendrein schmeckt es und ist auch noch sehr gesund!"

Horst Richter