"Seehofers Erlöser-Image ist beschädigt"

03.09.2014 | Stand 02.12.2020, 22:17 Uhr

Passau (DK) Christine Haderthauer ist weg – und keine zwei Tage später präsentiert Parteichef Horst Seehofer Marcel Huber als neuen Leiter der Staatskanzlei. Heinrich Oberreuter, emeritierter Professor für Politikwissenschaften an der Universität Passau, gilt als ausgewiesener Kenner der CSU.

Herr Oberreuter, der neue Staatskanzleichef heißt Marcel Huber. Überrascht?

Heinrich Oberreuter: Nein, Huber war auch mein Favorit, weil er das früher schon eine Weile gemacht hat, jemand ist, der einen eigenen Kopf und ein hohes Standing hat, in der Öffentlichkeit und bei den Medien. Er besitzt auch eine gehörige Portion Intelligenz. Es musste jemand mit hoher politischer Erfahrung auf diesen Posten – und kein Lehrbub oder Lehrmädchen.

Die Stelle war nun bereits zum fünften Mal seit 2008 ausgeschrieben. Zufall?

Oberreuter: Nein. Die Leute, die auf dem Posten saßen, wurden einfach immer wieder für andere herausgehobene Positionen gebraucht.

Es ist also nicht die Nähe zu Seehofer, die diesen Posten besonders schwierig macht?

Oberreuter: Seehofer ist kein einfacher politischer Chef, aber auch Stoiber war das nicht. Es liegt sicher auch daran, dass das Anspruchsniveau auf diesem Posten hoch ist. Mehr als fast alle anderen vor ihm konzentriert Seehofer die Dinge auf sich, selbst Stoiber und Strauß haben über ihre Entscheidungen mehr diskutiert als Seehofer.

Die SPD hat gar gefordert, die Leitung der Staatskanzlei einem anderen Kabinettsmitglied zu übertragen.

Oberreuter: So ein Vorschlag kann nur von jemandem kommen, der noch keine Regierungserfahrung hat und weit davon entfernt ist. Wer die Komplexität des modernen Regierens kennt, wird nie auf die Idee kommen, das als Nebenaufgabe zu bezeichnen. Das ist populistische Propaganda.

Mit Ulrike Scharf aus Erding übernimmt eine Frau aus Oberbayern das Umweltressort – ganz im Sinne des Parteiproporz. Ist der überhaupt noch zeitgemäß?

Oberreuter: Die Regionalproporzüberlegungen halte ich für qualifikationsfern. Aber für die CSU sind sie, was die Verankerung der Partei in den Landesteilen angeht, wesentlich. Da beißen sich zwei Prinzipien.

Noch vor einem knappen Jahr hat die CSU die Rückkehr zur absoluten Mehrheit gefeiert. Wie beschädigt steht sie nach der Affäre Haderthauer da?

Oberreuter: Die Zeiten 50 plus x sind für die CSU gegenwärtig sicher nicht in Reichweite. Aktuell bestätigt sich wieder das Image der CSU – das ihr seit Streibl anhängt – eine Partei zu sein, in der es eben gelegentlich Skandale gibt. Die jüngste Affäre kann der CSU nicht recht sein und führt dazu, dass Presse wie Opposition die CSU vor sich hertreiben.

Wie sehr ist Horst Seehofer persönlich beschädigt?

Oberreuter: Ich würde ihm nicht zum Vorwurf machen, dass er zunächst einmal die Position bezogen hat, dass man sich nicht durch öffentliche Diskussionen Kabinettsmitglieder abschießen lässt. Die Kommunikationsstrategie von Christine Haderthauer war allerdings nicht nachzuvollziehen. Ihre Aussage zur Modellbau-Affäre, ihr Engagement sei „von Idealismus geprägt“ gewesen, hat ihr das Genick gebrochen. Dass es so lange bis zum Rücktritt gedauert hat, hätte Seehofer sich sparen können. Da hätte sein Instinkt ihn früher veranlassen müssen, die Reißleine zu ziehen.

Wie steht es denn auf Bundesebene um die CSU? In Berlin hat sie es ja gerade auch nicht leicht.

Oberreuter: Die CSU spielt in Berlin nicht die gleiche Rolle wie in der kleinen Koalition, sodass sie da den einen oder anderen Kampf auszufechten hat, Stichwort Maut oder Armutszuwanderung. Themen, bei denen sich die Partei mit ihren Positionen nicht so durchsetzen konnte, wie sie es wollte. Die Affäre Haderthauer und die Berliner Durchsetzungsschwierigkeiten führen zu einer Diskussion in der Öffentlichkeit, die Seehofer selbst als geschwächt dastehen lässt. Sein Erlöser-Image ist beschädigt.

Wie bekommt Seehofer wieder mehr Einfluss, anstatt als Juniorpartner dazustehen, der bei Fragen wie der nach Waffenlieferungen außen vor ist?

Oberreuter: Es ist mir rätselhaft, warum Seehofer selbst erklärt hat, dass sich die CSU in dieser Debatte übergangen fühlt. Das hätte man intern bereinigen müssen. Außerdem sollten die Themen, über die man sich profilieren will, substanziell sein. Die Maut-Diskussion war blanker Opportunismus – populär, aber in der Komplexität offenbar nicht durchschaut.

Stichwort „übergangen“: Seehofer macht doch keine Anfängerfehler.

Oberreuter: Nein, er macht keine Anfängerfehler, aber er ist sehr impulsiv. Dass die CSU in Berlin kein klassisches Ministerium wie Inneres, Verteidigung oder Wirtschaft hat, ist ein schwerwiegendes Problem. Da wird man kraft Amtes zur Kenntnis genommen und muss sich nicht künstlich aufregen. So eine Empfindlichkeit entsteht durch das Bemühen, in der Öffentlichkeit wahr- und in der Koalition ernst genommen zu werden. Beides hängt auch von der Qualität der Ministerien ab, die man hat. In dieser Zwickmühle sitzt Seehofer.

Die Fragen stellte Verena Belzer.