Seehofer erklärt Startbahn zur Chefsache

27.07.2011 | Stand 03.12.2020, 2:34 Uhr

München (DK) Bürger kündigen heftigen Protest an – und nun stellt sich auch noch die katholische Kirche quer: Kaum ist die Genehmigung für den Ausbau des Münchner Flughafens erteilt, stehen dessen Befürworter vor Problemen. Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) will nun den Dialog suchen.

Die Worte von Kardinal Reinhard Marx klingen unmissverständlich. „Wir werden die Grundstücke nicht verkaufen“, sagte der oberste Geistliche des Bistums München und Freising der „Süddeutschen Zeitung“. Dem sei nichts hinzuzufügen, heißt es in der erzbischöflichen Pressestelle. „Die Aussagen stehen so, wie sie gesagt wurden.“ Für den Flughafenausbau bedeutet das nichts Gutes. Der Kirche gehören Grundstücke im Erdinger Moos, die für den Bau der geplanten dritten Startbahn wichtig sind. „Die Flächen sind teilweise essenziell“, sagte ein Sprecher der Flughafengesellschaft gestern.

Unklar ist, ob der Verkauf auch auf längere Sicht ausgeschlossen ist. Er gehe davon aus, dass die Gerichte über den Ausbau entscheiden werden, sagte Kardinal Marx. Sollte die Entscheidung, nicht zu verkaufen absolut gelten, müsste ein Enteignungsverfahren gegen die Kirche eingeleitet werden, um über die Grundstücke verfügen zu können.

Ministerpräsident Seehofer geht von der für den Ausbau günstigeren Lesart aus. Er verstehe den Kardinal so, dass dieser vor einem Verkauf die Gerichtsverfahren abwarten wolle, sagte der Regierungschef nach der gestrigen Kabinettssitzung. Dafür habe er „vollstes Verständnis“. Am Dienstag hatte die Regierung von Oberbayern den Planfeststellungsbeschluss für den Ausbau veröffentlicht. Seehofer begrüßte die Entscheidung. Der Ausbau sei „von großer Bedeutung für die wirtschaftliche Entwicklung der Region“, sagte er.

Die Haltung der Kirche verleiht dem Protest gegen das Projekt allerdings zusätzliches Gewicht. „Wir haben viel Verständnis für die Sorgen der Anlieger“, sagt Marx. 70 Bürgerinitiativen kämpfen gegen die dritte Startbahn. Sie haben sich zum Bündnis „AufgeMUCkt“ zusammengeschlossen.

Mit den Ausbaugegnern will Seehofer nun das Gespräch suchen. „Ich werde den Dialog persönlich führen“, sagt der Ministerpräsident. Das Aktionsbündnis will er demnächst in die Staatskanzlei einladen. Gleichwohl hob er hervor, dass Behörden und Flughafenbetreiber den Gegnern schon jetzt entgegenkämen. Der Planfeststellungsbeschluss wird offiziell erst nach den Sommerferien zugestellt, sodass auch erst dann die Frist beginnt, innerhalb der Klagen eingereicht werden können. Zudem hat die Flughafengesellschaft zugesichert, erst mit dem Bau beginnen zu wollen, wenn vor Gericht die Frage geklärt ist, ob der Sofortvollzug der Baugenehmigung rechtens ist. „Das sind alles Signale, dass wir nicht überfallartig etwas umsetzen, sondern die Bevölkerung einbinden wollen“, betont Seehofer. Grundsätzlich werde die Staatsregierung aber nicht von der Entscheidung für den Ausbau abrücken. Dass CSU und FDP – ähnlich wie Schwarz-Gelb in Baden-Württemberg wegen Stuttgart 21 – bei den 2013 anstehenden Landtagswahlen abgestraft werden könnte, spiele für ihn keine Rolle, sagt der Regierungschef. Es gehe um „Verantwortung“ und nicht um „parteitaktische Dinge“.

Dass der Protest sich ausweiten könnte, befürchten aber selbst Parteifreunde. „Das Oppositionspotenzial ist hier größer als in Stuttgart“, meint der CSU-Abgeordnete Bernhard Seidenath aus dem Landkreis Dachau. Allerdings sei man das Projekt offener angegangen. Trotzdem kritisiert auch er die Ausbaupläne. Es gebe „große Fragezeichen“, ob eine dritte Starbahn gebraucht werde. Das ist eines der Hauptargumente der Ausbaugegner. Die Flugbewegungen sind zurückgegangen und befinden sich derzeit wieder auf dem Niveau von 2006. Auch deshalb will sich das Aktionsbündnis AufgeMUCkt nicht von seinem Protest abbringen lassen.

„Zwei Bahnen reichen, das ist unser Ziel“, sagt Bündnissprecher Hartmut Binner. Das Gesprächsangebot Seehofers will er nur annehmen, wenn dieser sich nicht schon vorab auf den Ausbau festlege. „Ansonsten wollen wir dafür sorgen, dass die dritte Starbahn 2013 abgewählt wird.“ Kommentar Seite 2