Schrobenhausen
Katzenabwehr als Krankmacher?

Junge Familie klagt über Gesundheitsstörungen durch Ultraschallgeräte Wissenschaft uneins

20.07.2017 | Stand 02.12.2020, 17:45 Uhr

Ultraschallgeräte sollen Katzen oder Marder verscheuchen - manchmal treiben sie aber auch die Nachbarn zum Wahnsinn. - Foto: Richter

Schrobenhausen (DK) Sind Ultraschallgeräte zum Vertreiben von Tieren eine ernste Gefahr für die Gesundheit? Eine Familie aus dem Schrobenhausener Land fühlt sich stark beeinträchtigt, seit ein Nachbar einige solcher Geräte betreibt. Die Medizin gibt keine eindeutige Antwort, ob ein Zusammenhang möglich ist.

Alles hatte im März begonnen. Ein junges Ehepaar, 30 und 37 Jahre alt, hatte beim Gang durch den Garten plötzlich ein ungewöhnliches Erlebnis. "Mir ist auf einen Schlag ganz heiß geworden, mir war schwindlig und ich habe einen grellen Pfeifton gehört, schlimmer als das Kratzen von Kreide auf einer Tafel. Das hat körperlich geschmerzt", sagt der Mann. Seither leidet er an Tinnitus, einem Surren im Ohr, "das nicht mehr weggeht". Auch seine Frau hörte das unangenehme Geräusch, die Ursache war rasch gefunden: Der Nachbar hatte einige Ultraschallgeräte zum Vertreiben von Tieren neben dem Zaun aufgestellt.

Die Hoffnung, die Sache friedlich zu klären, blieb unerfüllt. "Er hat sich geweigert", sagen die Eheleute. Der Nachbar will die Ultraschallgeräte "auf gar keinen Fall wegmachen", wie er gestern unserer Zeitung sagte. Er habe manchmal bis zu acht Katzen im Garten, sie würden an den Hausecken markieren und ihre stinkenden Haufen hinterlassen. Deshalb habe er die Abschreckungstechnik installiert. "Das ist alles legal, und ich lasse mir nicht vorschreiben, was ich zu tun habe." Er selbst höre die Geräte nur "in zwei, drei Metern Entfernung", das störe ihn nicht. Die Lautsprecher seien zudem zu seinem Haus hin gerichtet.

Die junge Familie fühlt sich jedoch so stark beeinträchtigt, dass sie einen Anwalt eingeschaltet und Strafanzeige wegen Körperverletzung erstattet hat. "Ja, wir ermitteln in diesem Fall und prüfen, ob strafbares Verhalten vorliegt", erklärte Nicolas Kaczynski von der Staatsanwaltschaft Ingolstadt. Der Ausgang sei offen. "Aber wir nehmen das durchaus ernst." Die Betroffenen haben nicht zuletzt Angst um die Gesundheit ihrer sechs Monate und zwei Jahre alten Kinder. "Wir können unseren Garten nicht mehr nutzen." Auch die Eltern des Mannes fühlen sich unwohl. "Ich kriege beim Rasenmähen wacklige Knie", sagt der Vater, die Mutter leidet an Schlafstörungen. Spielt der Schalldruck vielleicht eine Rolle? Geräte zur Tiervertreibung arbeiten mit bis zu 140 Dezibel, das entspricht dem Pegel eines Düsenflugzeugs aus 30 Metern Entfernung.

Nun sind Dissonanzen unter Nachbarn nicht unbedingt ein Thema für die Öffentlichkeit. Das Streitobjekt aber sehr wohl. Denn Ultraschallquellen begegnen uns tagtäglich im Verborgenen - in Lautsprecheranlagen an Bahnhöfen oder Sensoren an Türöffnern zum Beispiel, in Museen, Schulen oder auf Plätzen. Diese Wellen dienen oft zur Signalsteuerung. Normal hört der Mensch nur Frequenzen bis 16 Kilohertz, Kinder noch etwas darüber. Der Ultraschall beginnt erst in diesem Bereich und reicht bis 1 Gigahertz.

Und trotzdem klagen manche Leute über Migräne, Tinnitus oder Übelkeit, wenn sie solch hohen Frequenzen ausgesetzt waren. Warum? Das bleibt vorerst offen, denn wissenschaftlich sei das Gebiet zu wenig erforscht, stellte der englische Forscher Timothy Leighton fest. Alle Studien zu diesem Thema seien 40 Jahre oder älter und nicht ausreichend. Er hält gesundheitliche Schäden aber für möglich - oder warum sonst leiden Menschen, die beruflich mit Ultraschallgeräten arbeiten, an den genannten Symptomen?

Was sagen Ärzte zu diesem Thema? "Ich habe in meinen 13 Jahren hier noch nie eine durch Ultraschall ausgelöste Gleichgewichtsstörung gesehen", ließ etwa Robert Gürkov, Funktionsoberarzt am Klinikum der Universität München, wissen. Auch andere Mediziner sehen keinen belegbaren Zusammenhang. Der Facharzt Alexander Groh vom HNO-Zentrum Ingolstadt weiß zumindest von einem Fall, wo ein Patient nach Einschalten eines Ultraschall-Vertreibers plötzlich Ohrgeräusche hatte. "Das ist aber mit einer Therapie weggegangen."