Scheyern
Bürgermeister von Urteil bis ins Mark getroffen

13.12.2010 | Stand 03.12.2020, 3:21 Uhr

Scheyern (DK) Drei Jahre lang ein Fünftel weniger Gehalt – die vom Verwaltungsgericht München angeordnete Kürzung des Salärs des Scheyerer Bürgermeisters fiel saftig aus. Doch viel schwerer zu verkraften dürfte für Albert Müller (Foto) sein, dass das Gericht zur Überzeugung kam, er sei wirklich als Spanner aufgetreten.

Der dritte Verhandlungstag in der sogenannten Spanner-Affäre stand gestern an. Hochspannung herrschte im Saal, denn diesmal waren zwei Begleiter der russischen Touristin als Zeugen erschienen, die im Januar 2009 in der Damentoilette am Autobahnparkplatz Paunzhausen (Landkreis Freising) von einem Spanner belästigt worden war. Er hatte versucht, mit einem Spiegel unter der Trennwand hindurch in ihre Kabine zu spähen.

Von den Zeugen erhoffte sich das Gericht auch weitere Aufschlüsse darüber, ob die Spiegel-Attacke sicher von einem Mann ausgegangen war. Schließlich hatten Müller und sein Rechtsbeistand Hubertus Höck mehrfach erklärt, dass der Rathauschef die Toilettenanlage nicht betreten habe, sondern nur eine Anhalterin, die er zuvor in München mitgenommen habe. Ihr habe er auch das Steuer seines Wagens überlassen, da es ihm an diesem Tag nicht gut ging und er sich deshalb auf die Pkw-Rückbank zurückzog.

In einigen Fragen – zum Beispiel wo denn die Autos der Beteiligten genau geparkt waren – kamen von den russischen Zeugen widersprüchliche Aussagen. In zwei wichtigen Punkten waren sie sich aber einig: Die Person, die einige Minuten nachdem ihre Bekannte den Spiegel entdeckt und aufgeschrien hatte, die Damentoilette verließ, sei "hundertprozentig" ein Mann gewesen. Ebenso sicher waren sie sich, dass der Mann eine Perücke mit schulterlangen, lockigen Haaren trug. Dieser Mann sei dann in einen geparkten Audi gestiegen (er war auf den Scheyerer Bürgermeister zugelassen) und weggefahren. Ob es sich bei dem Täter wirklich um Müller handelte – dazu konnten die Begleiter der jungen Russin bei der Begegnung vor Gericht nichts mehr sagen.

Oberlandesanwältin Simone Widmann ließ in ihrem Plädoyer jedoch keinen Zweifel daran, dass sie Müller seine Variante mit der "vermeintlichen Anhalterin" nicht abnimmt. Zudem habe er sich widersprüchlich zum zweiten Vorwurf geäußert.

Dabei geht es um offenbar heimlich gefilmte Videoaufnahmen einer spärlich bekleideten Frau, die bei dem Bürgermeister sichergestellt wurden. Hier habe Müller einmal ausgesagt, er habe die Kamera seinem mittlerweile verstorbenen Bruder geliehen, jetzt aber in einem Internetbeitrag behauptet, sie einem Bekannten geborgt zu haben. In beiden Fällen sah die Oberlandesanwältin "schwere außerdienstliche Dienstvergehen", deren sich der Bürgermeister schuldig gemacht habe.

Müllers Rechtsbeistand Höck verwies auf den Grundsatz "im Zweifel für den Angeklagten": Weder bei dem Spanner-Auftritt noch bei den Videoaufnahmen sei in ausreichender Weise nachgewiesen worden, dass sein Mandant der Täter sein könnte.

"Ich war nicht auf der Toilette und habe die Videoaufnahmen nicht gemacht", betonte Müller in seinem Schlusswort. Er verwies dabei auf die lange Leidenszeit, die seine Familienangehörigen und er seit dem Bekanntwerden der Vorwürfe durchleben habe müssen: Ein Schock nach dem anderen sei auf ihn eingeprasselt.

Und schockiert und bis ins Mark getroffen reagierte Müller dann auch auf den Spruch der Kammer, die seine Äußerungen als "reine Schutzbehauptungen" einstufte und dem Antrag auf Gehaltskürzung folgte. Kopfschüttelnd und sichtlich angeschlagen verließ er noch während der Urteilsbegründung den Saal.