Regensburg
Mörder verklagt Freistaat

Kelheimer Sexualstraftäter will Schadensersatz für Sicherungsverwahrung – Er hatte eine Joggerin getötet

19.11.2015 | Stand 02.12.2020, 20:31 Uhr

Regensburg (DK) Mehr als 18 Jahre nach dem Sexualmord an einer Joggerin in Kelheim beschäftig der Fall erneut das Landgericht in Regensburg. Der rechtskräftig verurteilte Sexualmörder hat den Freistaat auf Schadensersatz verklagt.

Nach seiner Auffassung verstößt seine Sicherungsverwahrung gegen geltendes Recht. Für die Unterbringung will er nun rückwirkend ab dem ersten Tag nach seiner vollständig abgesessenen Jugendstrafe am 18. Juli 2008 und für die weitere Zeit der Sicherungsverwahrung 500 Euro Entschädigung pro Monat. Der am 25. November verhandelte Schadensersatzfall vor der Zivilkammer ist auch deshalb von besonderer Bedeutung, weil es „bis heute keine abschließende Rechtsprechung für die Sicherungsverwahrung von Straftätern gibt, die nach dem Jugendstrafrecht verurteilt wurden“, sagt der Richter und Sprecher des Landgerichts Regensburg Thomas Polnik. Es geht also nicht nur um mindestens 33 000 Euro Schadensersatzforderung. „Die Entscheidung des Gerichts könnte weitreichende Folgen haben“, sagt Polnik. Nicht nur für den verurteilten Kläger.

Fünf Tage vor seiner möglichen Entlassung am 17. Juli 2008 trat ein Gesetz in Kraft, das der Bundestag auch mit Blick auf Täter wie den Kelheimer Mörder beschlossen hatte: Erstmals konnten auch Jugendstraftäter in Sicherungsverwahrung kommen, wenn sie noch als gefährlich eingestuft wurden. Voraussetzung ist: Der Täter muss mindestens sieben Jahren Haft verurteilt worden sein und Gutachter müssen zum Zeitpunkt der möglichen Freilassung eine anhaltende Gefährlichkeit feststellen.

Der Sexualverbrecher hatte 1997 im Alter von 19 Jahren einer 31-jährigen Joggerin im Kelheimer Forst aufgelauert, sie gewürgt und sich anschließend über der Sterbenden selbst befriedigt. Dafür erhielt er die damals im Jugendstrafrecht mögliche Höchststrafe von zehn Jahren. Er war auch der Erste, auf den das 2008 verabschiedete Gesetz zur Sicherungsverwahrung angewandt wurde. Am 9. März 2010 bestätigte der Bundesgerichtshof das Urteil.

Dagegen zogen einige Sicherungsverwahrte vor das Bundesverfassungsgericht. Die Karlsruher Richter erklärten das Gesetz zunächst für verfassungswidrig, wegen der mangelnden Unterschiede zu einer herkömmlichen Haft. Gleichzeitig hat das Gericht die Kriterien für die Unterbringung verschärft. Seit dem 4. Mai 2011 dürfen Straftäter, die ein Jugendstrafe abgesessen haben, nur noch in die Sicherungsverwahrung, wenn sie eine „hochgradige Gefahr“ darstellen, eine „schwerste Gewalt- oder Sexualstraftat“ zu erwarten ist und eine „psychische Störung vorliegt“. In der ersten Fassung des Gesetzes zur Sicherungsverwahrung von Jugendstraftätern war lediglich von „einer hohen Wahrscheinlichkeit, dass er wieder eine ähnliche Straftat begeht“ die Rede. Der Alltag der Häftlinge muss sich zudem deutlich vom Strafvollzug unterscheiden. Laut „Abstandsgebot“ muss ihnen ein „individuelles, intensivierendes und motivierendes Umfeld“ geschaffen werden. Sie müssen vom übrigen Strafvollzug räumlich getrennt leben und die Unterbringung darf ihren Alltag nur gering belasten.

Im Fall des Mörders der Joggerin haben die Gerichte bislang alle strafrechtlichen Entscheidungen bestätigt. Am 3. August 2012 bestätigt das Landgericht Regensburg erneut: Der verurteilte Sexualmörder bleibt in Sicherungsverwahrung. Der Richter folgte damit der Diagnose zweier Sachverständiger, die dem Mann „sexuellen Sadismus“ bescheinigen. Auch das Oberlandesgericht bestätigt am 17. Dezember 2014 die Entscheidung der Regensburger Richter.

Die aktuelle Klage auf Schadensersatz gegen den Freistaat wird jedoch vor der Zivilkammer des Landgerichts entschieden. Solche Klagen sind möglich, unabhängig von dem Urteil eines Strafverfahrens. Zu den Gründen und Chancen seines Mandanten wollte sich der Trierer Anwalt des Klägers, Ingo-Jens Tegebauer ohne Absprache mit seinem Mandanten im Vorfeld der Verhandlung nicht äußern.