Pförring
"Wir gehören doch zusammen"

Ein Pförringer Ehepaar adoptierte einen jungen Afghanen Trotzdem droht ihm jetzt die Abschiebung

16.10.2017 | Stand 02.12.2020, 17:21 Uhr

Das Ehepaar Ute und Klaus Kleindorfer aus Pförring hat den jungen Afghanen Kaneschka (Mitte) im Sommer 2015 adoptiert, sie fühlen sich als richtige Familie. Dennoch droht dem 25-Jährigen, der seit Jahren eine feste Arbeit hat, jetzt die Abschiebung. - Foto: Richter

Pförring (DK) Für das Ehepaar Ute und Klaus Kleindorfer aus Pförring (Kreis Eichstätt) war es eine Herzensangelegenheit, als sie 2015 einen jungen Afghanen adoptierten. Doch ihrem Sohn droht die Abschiebung in ein Land, in dem er bis auf eine alte Tante keine Angehörigen mehr hat. Die Familie ist verzweifelt.

Kaneschka Kleindorfer hat trotz seiner erst 25 Jahre ein bewegtes Leben hinter sich. Als Kleinkind verlor er seine Mutter, seinen Vater sah er zuletzt 2008, als er plötzlich verschwand. Ob die Taliban ihn getötet haben? Der junge Afghane vermag das nicht zu sagen, "aber es hat ihnen nicht gepasst, dass er viel mit den Amerikanern und Engländern kooperiert hat", sagt er. Mit 16 Jahren flüchtet Kaneschka in den Iran, weitere Stationen sind die Türkei, Griechenland, Mazedonien und Österreich, bevor er nach vielen Irrwegen im April 2010 in Deutschland Asyl beantragt. Einige Zeit kümmert sich die Jugendhilfe in München um ihn, 2012 kommt er nach Vohburg (Kreis Pfaffenhofen). Da ist er Anfang 20.

Der junge Mann möchte sofort arbeiten, doch die Behörden verweigern ihm laut seiner Schilderung den Wunsch. Er setzt sich aber durch, "da bin ich ganz schön laut geworden", räumt er im Nachhinein ein. Nur Rumsitzen und warten, wie sein Verfahren ausgeht, "das hätte mich krank gemacht". Er darf ab 2013 beim Vohburger Betrieb HF-Sicherheitskleidung als Industrienäher zur Probe arbeiten - und bleiben, weil er trotz anfänglicher Eingewöhnungsprobleme mit Elan bei der Sache ist.

Vorarbeiterin Ute Kleindorfer nimmt sich seiner an und merkt schnell, dass der neue Kollege aus dem fremden Kulturkreis "sehr lernwillig ist". Sie und ihr Mann Klaus laden den Afghanen auch mal privat ein und lernen ihn näher kennen. Sie helfen ihm, als er eine eigene Wohnung sucht - Kaneschka ist endlich unabhängig und niemandem etwas schuldig: Er verdient sein Geld selbst und zahlt wie andere Steuern und Sozialabgaben. Nun hat er also ein Zuhause, das er so vermisste.

Alles so weit gut, doch sein Asylantrag geht nicht durch; er sei "ausreisepflichtig", lassen die Behörden ihn zwei Jahre später wissen. Im Sommer 2015 taucht der Afghane eines Tages unvermutet bei den Kleindorfers in Pförring auf und verabschiedet sich. Er müsse das Land in 14 Tagen verlassen, sagt er. Tränen fließen, der junge Mann ist dem Ehepaar längst ans Herz gewachsen. "Dann adoptieren wir ihn eben", sagt Klaus Kleindorfer ganz spontan. Sie tun es im Juni 2015 tatsächlich, aber es hilft alles nichts: Kaneschka Kleindorfer soll das Land trotzdem verlassen.

Die für den Fall zuständige Regierung von Oberbayern beruft sich auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, wonach die Adoption eines erwachsenen Ausländers in der Regel kein Aufenthaltsrecht für den Adoptierten beinhaltet, weil "eine Erziehungsgemeinschaft nicht mehr in Betracht kommt". Der Kontakt könne auch durch Besuche, Brief- und Telefonkontakte gehalten werden.

Die Hängepartie dauert nun schon zwei Jahre lang an. Der junge Mann erhält monatsweise "Duldungen", jede könnte die letzte gewesen sein. Wie ein Damoklesschwert hängt dieser Gedanke über ihnen. "Mei Bua", sagt Ute Kleindorfer, wie es in Bayern üblich ist, wenn Eltern über den Sohn sprechen, "mei Bua muss hierbleiben. Wir gehören doch zusammen."

Die Familie geht sehr vertraut und liebevoll miteinander um, als hätte Kaneschka schon immer dazugehört. Die Pförringerin kämpft wie eine Löwenmutter, hat Bayerns Ministerpräsidenten Horst Seehofer angeschrieben und die Härtefallkommission bemüht. So lange sie nicht entscheidet, bleibt alles in der Schwebe. Die Ungewissheit zehrt an den Nerven, die Angst frisst die Familie auf. "Es ist ein unendlicher Kampf."

Kaneschka Kleindorfer versucht derweil, ein normales Leben zu führen. Er hat den Führerschein gemacht ("Alles in deutscher Sprache!") und geht seiner Arbeit nach. Dabei kann er noch froh sein, dass seine Firma Verständnis zeigt, wenn er einmal im Monat fehlt, um seine Duldung zu verlängern. "Wir sind voll zufrieden mit ihm und brauchen Leute wie ihn", sagt sein Chef Bernd Bretthauer. "Ich frage mich, warum die Bundesregierung Werbung dafür macht, dass man Flüchtlinge einstellt. Wenn du es tust, legen sie dir Steine in den Weg."