Pfaffenhofen
Schritt für Schritt ins neue Leben

Christiane Hofbauer hat ein Fachbuch über Flüchtlingskinder in Kitas geschrieben

26.07.2016 | Stand 02.12.2020, 19:30 Uhr

Gemeinsam spielen die dreijährige Eleonora Gremo (von links) und die Flüchtlingskinder Bana Almasalima (4) und Rimas Alezzo (5) "Memory" im Kindergarten "Spatzennest" in Reichertshofen. - Fotos: Brenner

Pfaffenhofen (DK) Viele Kitas im Landkreis Pfaffenhofen werden, wie auch anderswo, von Flüchtlingskindern besucht. Manche sind vom Krieg traumatisiert oder verhalten sich anders als die einheimischen Kinder. Christiane Hofbauer erklärt in ihrem neuen Fachbuch unter anderem, wie man ihnen helfen kann.

Erst hat sich Hofbauer (kleines Foto) über die Idee geärgert, ein Buch über Flüchtlingskinder in Kitas zu schreiben. "Eigentlich unterscheiden sie sich kaum von anderen mehrsprachigen Kindern", sagt sie. Hofbauer kennt sich aus, denn die ehrenamtliche Pfaffenhofener Asylhelferin ist von Beruf Fortbildnerin im Bereich Sprache, Mehrsprachigkeit und Inklusion. Schließlich entschied sie sich doch dafür, weil sie das Kitapersonal, die ehrenamtlichen Asylhelfer und die Eltern von Kitakindern darüber aufklären will, warum sich Flüchtlingskinder teilweise anders verhalten und wie man damit umgehen sollte.

Schwer zu recherchieren fand die Autorin die Frage, was eigentlich auf der Flucht passiert. "Es gibt darüber kaum Zahlen", sagt sie. "Und auch kaum Befragungen darüber, wie viele Vergewaltigungen es gibt oder wie lange eine Flucht dauert." Vereinzelt hätten Journalisten die Toten zusammengezählt, die Dunkelziffer schätzt Hofbauer hoch ein.

Die Kinder übten während der permanenten Gefahr neue Verhaltensweisen ein: "Sie lernen das, was sie auf der Flucht gut brauchen können: zum Beispiel, ständig ruhig und unauffällig zu sein. In der Schule fallen sie damit natürlich negativ auf." Ein Kind in einer Kita habe etwa ständig Nacktschnecken gegessen. "Am Anfang fanden die Betreuer das seltsam. Aber es hat sich herausgestellt, dass das Kind auf der Flucht wochenlang ohne Essen auskommen musste."

Traumatisiert seien trotzdem weniger Kinder, als man vielleicht denken würde, sagt Hofbauer. Auf etwa 20 Prozent der Kinder treffe das zu. "Wenn man ihnen eine feste Struktur vorgibt, lösen sich die Probleme oft von selbst auf."

Auch das ständige "An-etwas-Festhalten" sei oft eine Folge der Flucht. So geben einige Flüchtlingskinder ungern Stifte aus der Hand, die sie von den Betreuern bekommen. "Das ist kein Egoismus, sondern rührt oft von Trennungsängsten." Während der Flucht passiere es nicht selten, dass die Kinder von ihren Eltern getrennt werden.

Man müsse die Kinder Schritt für Schritt an Neues gewöhnen. Generell bräuchten viele feste, regelmäßige Strukturen und klare Ansagen. Umso mehr, als auch die Lebenssituation in Deutschland voller Strapazen sei. "Es gibt oft keinen Rückzugsraum für Kinder, Gemeinschaftsduschen, das ist ziemlich belastend." Einige Kinder hätten zum Beispiel Angst, in der Nacht auf die Toilette zu gehen.

Andererseits lernten Flüchtlingskinder oft schnell, Verantwortung zu übernehmen, weil sie eben - anders als ihre Eltern - schnell in den deutschen Schulen integriert würden und die Sprache sowie die Kultur kennenlernten. "Sie müssen dann oft den Eltern erklären, wie etwas funktioniert." Das könne gut sein, es könne aber auch zur Überforderung führen.

In der Schule schnitten die Flüchtlingskinder übrigens oft gut ab, weil die Schule bei Zuwanderern einen hohen Stellenwert habe. "Da ist der Druck hoch, gut abzuschneiden, weil gut integriert zu sein eng mit dem Bleiberecht zusammenhängt." Die deutschen Eltern hätten gegenüber Migranten oft Berührungsängste, was auch mit Vorurteilen zu tun habe. Etwa, dass die Kinder leicht Krankheiten mitbrächten und andere ansteckten. Hofbauer hält die Chance für höher, dass sich Asylbewerber bei Einheimischen anstecken als umgekehrt. "Wenn Flüchtlinge Krankheiten haben, wird das schon in der Erstaufnahme erkannt", sagt Hofbauer. "Aber wenn sich ein Flüchtling bei uns ansteckt, überträgt sich das schnell innerhalb der Unterkunft, weil diese eng beieinander leben und die hygienischen Verhältnisse nicht perfekt sind."