Passau
Redeschlacht mit Samthandschuhen

Der politische Aschermittwoch fällt in diesem Jahr eher zurückhaltend aus

22.02.2012 | Stand 03.12.2020, 1:48 Uhr

 

Passau/Vilshofen/Ingolstadt (DK) Die CSU bejubelt ihren Ex-Parteichef; die SPD beschwört den Machtwechsel; die FDP strotzt nach dem Gauck-Coup vor Selbstbewusstsein; und die Piraten sonnen sich in ihrer Internet-Überlegenheit: Es war ein politischer Aschermittwoch der besonderen Art, der gestern in Bayern über die Bühne ging.

Und doch: Die Rituale gleichen sich, seit die Partei-Granden vor 60 Jahren begannen, bei Bier, Blasmusik und Brezen auf den politischen Gegner einzuschlagen. Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Horst Seehofer hatte bereits im Vorfeld gelobt, sich als geschäftsführendes Staatsoberhaupt allzu derber Attacken zu enthalten. Doch so viel Deutlichkeit muss sein: „Es gibt nicht nur rechts oder links, es gibt auch oben und unten. Wo wir sind, ist oben.“ Ansonsten ist für die Abteilung Attacke Edmund Stoiber zuständig. Der spricht gut eine Stunde lang – vor allem von den vergangenen Jahrzehnten, der Regierungszeit von Franz Josef Strauß, seinem eigenen Wirken und von dem großen Erfolg, den Bayern dank all dieser Verdienste habe.

Die politischen Mitbewerber haben für Stoibers Auftritt wenig mehr als Spott übrig. Der Chef der Freien Wähler, Hubert Aiwanger, vergleicht den früheren Partei- und Regierungschef gar mit einem ausgestorbenen Urvogel: „Wenn der Archaeopteryx aus Wolfratshausen die CSU wieder aufrichten soll, muss sie wahrlich auf dem Boden liegen.“ Doch auch Horst Seehofer dient den anderen Parteien als Zielscheibe. Als Joachim Gauck zum Kandidaten für das Bundespräsidentenamt gekürt worden sei, habe sich die CSU blitzschnell umentschieden, spottet SPD-Chef Sigmar Gabriel in Vilshofen: „Das ist frei nach Horst Drehhofer – was stört mich mein Geschwätz von gestern“ Und der SPD-Spitzenkandidat für die nächste Landtagswahl, der Münchner OB Christian Ude, feixt: „Ich habe zwar nur zwei Jahre Lebenserfahrung mehr – aber ich finde, das merkt man auch.“

Auch die FDP lässt kräftig die Muskeln spielen. „Wenn man uns droht, lassen wir uns davon nicht einschüchtern“, sagt Parteichef Philipp Rösler an die Adresse der Union. Doch auch in die andere Richtung teilt er kräftig aus. Die SPD-Spitze verspottet er als „die drei scheinheiligen Könige“ und als „Lehman Brothers der Sozialdemokratie“. Grünen-Chefin Claudia Roth wiederum greift die schwarz-gelbe „Chaos-Truppe“ wegen deren Umgang mit der Wulff-Affäre scharf an. „Es war wirklich ein würdeloses Klammerspiel, das wir in den letzten Wochen erlebt haben.“ Zu lange habe die Bundeskanzlerin ihre schützende Hand über Christian Wulff gehalten, der sich, so Sigmar Gabriel, „wie ein Amigo benimmt, der das Land sich selbst und der CDU zur Beute macht“.

Unterdessen setzen die Piraten, die im Festsaal des Stadttheaters Ingolstadt zusammenkommen, genüsslich auf ihren Vorsprung durch Technik – und sparen nicht mit Hohn für die Repräsentanten der etablierten Parteien: „Wer Twitter für Mist hält, sollte beim Fax bleiben“, rät Bayerns Ober-Pirat Stefan Körner den Politikern alter Schule. Christian Ude etwa „twittert, wie er redet“, stichelt Körner: „Langsam, bedächtig und letztlich ohne Inhalt.“