Passau
Trotz Diesel-Skandal in voller Fahrt

Die deutsche Automobilindustrie will die Aufgaben der Zukunft selbstbewusst angehen

20.10.2017 | Stand 02.12.2020, 17:19 Uhr

Passau (DK) Elektromobilität, autonomes Fahren, neue Mobilitätskonzepte: Auf die Automobilbranche kommen in den kommenden Jahren und Jahrzehnten gewaltige Veränderungen zu. Darüber war sich die Runde auf der "Menschen-in-Europa"-Bühne am Donnerstagabend im Medienzentrum in Passau einig.

Wo genau die Reise hingeht und wie schnell der Wandel vonstattengeht, das gleicht den Experten zufolge zwar noch einem Blick in die Glaskugel. Der Verbrennungsmotor - auch darüber herrschte jedoch Einigkeit - werde in jedem Fall noch über Jahrzehnte gebraucht. "Die Transformation der Autoindustrie ist eine spannende Aufgabe", betonte Matthias Müller, seit zwei Jahren Vorstandschef des VW-Konzerns. Die genaue Ausgestaltung werde dabei mehr denn je in den Händen der Verbraucher liegen.

Mit Michael Stoschek, Vorsitzender der Gesellschafterversammlung des Automobilzulieferers Brose, Matthias Wissmann, Präsident des Verbands der Automobilindustrie (VDA) sowie Philipp Rösler, Ex-Bundeswirtschaftsminister und jetziger Geschäftsführer des Weltwirtschaftsforums in Davos, diskutierte Müller über die Zukunft der Branche.

VW sieht sich dabei trotz des Diesel-Skandals in einer guten Startposition: Der Konzern stehe vor dem besten Jahr seiner Geschichte, betonte Müller. Daran ändern ihm zufolge auch Milliardenstrafen in den USA nichts: "Wir können ganz gut haushalten." Bis 2030 werde man etwa 20 Milliarden Euro allein in die weitere Entwicklung der E-Mobilität stecken. Einen Wegfall von Jobs durch die zunehmende Digitalisierung sehe er nicht.

Allerdings werde sich die Arbeit durchaus verändern. Entsprechend frühzeitig gelte es, die Mitarbeiter durch Aus- und Weiterbildung auf diesen Wandel vorzubereiten. Der Diesel-Skandal beschleunige zudem den Wandel des Konzerns hin zu einem offeneren, lernfähigen Unternehmen: "In jeder Krise steckt auch ein bisserl Chance."

Die öffentliche Kritik an der Branche infolge des Diesel-Skandals sei völlig überzogen, befand Brose-Gesellschafter Stoschek: "Die Verdammung dieser Technologie ist völlig ungerechtfertigt." Die Automobilindustrie steht ihm zufolge auch an anderer Stelle oft zu unrecht als "Buhmann" da: Wolle die Politik etwa tatsächlich den CO2-Ausstoß senken, gelte es vielmehr, sich mit dem Hauptverursacher - schmutzige Kohlekraftwerke - zu befassen.

Vor Aktionismus in der Debatte um den Verbrennungsmotor warnte Matthias Wissmann: Die Politik dürfe den Weg der deutschen Schlüsselindustrie in die Zukunft zwar durchaus mit Leitplanken in Form regulatorischer Rahmenbedingungen begleiten, betonte der VDA-Präsident. Zu ideologischen Stoppschildern in Form eines politisch vorgegebenen Endes des Verbrenners dürfe es jedoch nicht kommen - andernfalls drohten schwere Verwerfungen am Arbeitsmarkt.

Auch andere Länder hätten durchaus Interesse daran, die Dominanz des Verbrennungsmotors zu brechen, meinte Philipp Rösler. Zu groß sei der Know-how-Vorsprung der deutschen Industrie in diesem Bereich, so der Geschäftsführer des Weltwirtschaftsforums: "Darauf dürfen wir nicht hereinfallen." Gleichwohl gehe es in Zukunft generell vielmehr darum, Mobilität zu verkaufen und nicht primär Autos an sich. Darauf müssten sich auch deutsche Hersteller einstellen, etwa in Form von Carsharing-Angeboten.

Einen radikalen Umbruch der Mobilität werde es freilich nicht geben, betonte Stoschek - die Transformation vollziehe sich fließend und nicht überall gleich. Besonders geeignet für neue Mobilitätskonzepte und E-Mobilität seien große Ballungsgebiete. Im ländlichen Raum gestalte sich dagegen weltweit der Aufbau der Infrastruktur wie Ladesäulen oder Leitsysteme für autonomes Fahren schwierig. "Da brauchen wir vermutlich auch unterschiedliche Fahrzeuge", meinte Stoschek. Gerade auf dem Land habe der Verbrenner also wohl noch lange nicht ausgedient.