Nürnberg
Von veganer Mayonnaise bis Öko-Haarkur

Messe "Biofach" in Nürnberg eröffnet Auma Obama kritisiert "Bio-Kolonialismus"

10.02.2016 | Stand 02.12.2020, 20:13 Uhr

Nürnberg (DK) Bio macht die Welt nicht besser, findet Auma Obama. Zur Eröffnung der "Biofach", der Weltleitmesse für Bio-Produkte gestern in Nürnberg, hat die ältere Halbschwester des US-Präsidenten den Europäern sogar Bio-Kolonialismus vorgeworfen. Gegessen wurde trotzdem bis zum Abwinken.

Bio geht längst nicht mehr nur durch den Magen. Bio gibt es mittlerweile sogar für die Haare. "Wir verwenden für unser Shampoo mindestens 15 Prozent Chia-Extrakt", sagen Roger Kastenbein und Stefan Bosch stolz. Die beiden Friseure aus Köln haben chemischen Haarprodukten den Kampf angesagt. Auf die Kopfhaut kommt bei den Haarstylisten nur der "Supersamen der Mayas und Azteken". Chia sei schließlich reich an Fettsäuren und Antioxidantien. Der perfekte Nährstoff für die Haare, sagen die beiden mit der zeitlosen Hippie-Frisur. Seit 2015 gibt es die komplette Haarpflegeserie von der Spülung bis zur Haarkur. Bio versteht sich. Glutenfrei und vegan soll alles obendrein sein.

Die Kunden lechzen nach Bio-Produkten für alle Lebenslagen. Allein die Naturkosmetikbranche ist im letzten Jahr um zehn Prozent gewachsen. Auf 1,1 Milliarden Euro sei der Umsatz 2015 in Deutschland gestiegen. Keine Nische wird von der Bio-Welle verschont. Von der Damenbinde aus Öko-Baumwolle bis zum Beintonikum aus Blauhimmelstern. Woher die himmlische Pflanze kommt, weiß Florian Junge von der Kosmetikfirma Dr. Hauschka allerdings nicht ganz genau. Dafür weiß er, dass der "wandelbare Borretsch" die Gabe hat, "Bewegung in unser Leben zu bringen". Das Mittel soll müde Knochen munter machen. Das Alkohol-Rizinusöl-Gemisch plus Wundermittel kann man sich auch ins Gesicht schmieren. Der Slogan fasst diese Vielseitigkeit so zusammen. Das Tonikum sei ein "echter Freund für alle, die gern mal durchs Leben tanzen". Mehr kann man von einem Mittel zum Einreiben nicht erwarten.

Mehr wünschen würde sich dagegen Auma Obama von der Bio-Welt. Die Halbschwester von US-Präsident Barak Obama träumt von mehr Gerechtigkeit zwischen Nord und Süd. Die Bedingungen der Bio-Branche würden im reichen Norden festgelegt. Dort werde auch der meiste Gewinn gemacht. Der arme Süden sei nur als Rohstofflieferant gefragt. "Darüber hinaus aber haben wir nicht mitzusprechen. Das bezeichne ich als Bio-Kolonialismus", geißelt Obama das Gewinnstreben. Bio sei in Afrika die Normalität. "Wir haben keine andere Wahl als Bio, weil wir uns Düngemittel nicht leisten können."

Die so gescholtene Branche gelobt Besserung. Die Chefin des Naturkosmetik-Herstellers "Lavera", Klara Ahlers, findet die Idee zumindest spannend, die Produkte in Afrika und nicht mehr in Deutschland herstellen zu lassen. Eine Zusage klingt anders. Man versteht sich trotzdem. Harmonische Farben, sanfte Klänge dominieren überall. Man hat sich lieb. Und gibt sich bei jeder Kleinigkeit weltverbessernd.

Ein Hersteller von veganer Mayonnaise zitiert etwa Friedrich Nietzsche, um für die Sauce zu werben. Der Pferdefuß steckt freilich im Detail. Ungefähr doppelt so viel wie die herkömmliche kostet die eierfreie Sauce. "Schmecken tut sie aber gut", finden Maria und Katharina Schaller und dippen ihren Gemüsespieß demonstrativ in die weiße Veggie-Tunke. Und immer mehr Bundesbürger greifen nach Bio-Lebensmitteln. Allein im Vorjahr sei der Umsatz mit Naturkost um elf Prozent auf 8,62 Milliarden Euro gewachsen, berichteten Branchenexperten gestern.

Das Essen und das Probieren ist das Thema auf der "Biofach". Um es kurz zu machen. Besucher brauchen einen gesunden Magen, um die vier Messetage ohne Bauchschmerzen zu überstehen. Dort isst man Schinken, gegenüber kostet man Gummibärchen. Bei der ehemaligen Landwirtschaftsministerin Renate Künast brutzelt ein saftiges Steak auf dem Herd. Dafür spricht sie über Reformen und Wahlen in Europa. Auf Englisch. Das schlägt einem dann doch auf den Magen. Zum Glück gibt's Tee nebenan. Bio natürlich.