Nürnberg
Vom Märchenkleid bis zur Heldenuniform

Ansturm auf den Kostümverkauf im Nürnberger Staatstheater 2000 Einzelstücke für Schnäppchenjäger

27.06.2017 | Stand 02.12.2020, 17:52 Uhr

Foto: DK

Nürnberg (HK) Prinzessin, Räuber oder Märchenprinz: Wenn das Staatstheater seinen Kleiderschrank ausmistet, kommen echte Modefreunde und wahre Schnäppchenjäger auf ihre Kosten. Von der Uniform bis zum Märchenkleid ist beim großen Kostümverkauf am Samstag in Nürnberg alles dabei gewesen.

Wo sonst allein die Bretter die Welt bedeuten, stehen die Klamotten am Samstag im Rampenlicht. Vom Märchenkleid bis zur Heldenuniform hängen beim Kostümverkauf im Staatstheater in Nürnberg rund 2000 Einzelstücke sauber aufgereiht an den Kleiderstangen. Um Platz für die Neuproduktionen in der kommenden Spielzeit zu schaffen, hat das Theater zum großen Kostümflohmarkt unter der Überschrift "Alles muss raus!" eingeladen. "Nur Umkleidekabinen haben wir leider nicht", sagt Eva Weber, die Leiterin der Kostümabteilung, und zeigt lächelnd auf das bunte Treiben im Theaterfoyer.

Die vorwiegend weibliche Kundschaft scheint sich daran nicht zu stören. Wie die berühmte Antigone aus dem griechischen Drama stürzen sich die modebewussten Schnäppchenjäger voller Leidenschaft in die Kostümschlacht. Hier baumeln Militärmäntel am Haken, dort hängen Trachten auf dem Bügel. "Ich wollte eigentlich nur meine Freundin begleiten. Aber jetzt habe ich diese Lederhose hier gefunden", sagt Steven und betrachtet sich in der Hirschledernen in einem der wenigen Spiegel, vor dem sich immer gleich reihenweise die potenziellen Käufer bei der Anprobe tummeln. "Passt! Für 40 Euro kann ich nichts falsch machen", findet Steven und schreitet stolz ("Ich wollte schon immer eine Lederhose haben") mit seinem neuen Beinkleid aus dem "Weißen Rößl", einer vergangenen Operettenproduktion, von dannen.

Elli und Thomas hatten bei der Suche noch nicht so viel Glück wie Steven. "Ich suche noch", sagt Elli während der Anprobe und drückt ihrem Thomas kurz darauf noch einen Kleiderbügel in die Hand. Moana hat ihr Traumkleid dagegen schon gefunden: "Das ist wie für mich gemacht", freut sich die junge Nürnbergerin und schaut sich das Märchenkleid genauer an. "Die Verarbeitung ist wunderbar. Aber wo ist das Preisschild", fragt sich Moana. "Hier. Rot. Ich hab das Preisschild gefunden!", freut sich Moana und zeigt auf die Tafel mit der Preisliste. Rot steht für 60 Euro. "Für die Qualität ist das ein Schnäppchen", ist sich die modebewusste Moana sicher und fahndet noch nach einem Hinweis auf die Kleidergröße. Den sucht die modeverrückte Moana vergeblich. "Aber wird schon passen", ist sich die "Fashionista" sicher und schwebt mit ihrem Märchenkleid feengleich davon.

Derweil wühlt Sabine nebenan in einer bunten Kiste. "Diesen Federschmuck finde ich toll", sagt die Nürnbergerin und zaubert einen waschechten Indianerhut hervor. "Den nehme ich. Wir feiern demnächst ein Kostümfest, da passt diese bunte Federkopfbeckung optimal", freut sich Sabine, die an der Kasse nur schlappe drei Euro ("Mit dem Preis bin ich sehr zufrieden") für das Unikat bezahlen muss. Währenddessen sucht Frauke noch nach einer passenden Heldenuniform. "Ich bin Opernsängerin. Für einen Auftritt auf einem Kreuzfahrtschiff suche ich noch ein passendes Outfit", sagt Frauke und zieht eine hellblaue Uniformjacke mit goldenen Knöpfen und ausladenden Epauletten mit Haltespangen vom Kleiderbügel. "Für den Cheruibino passt das perfekt", erklärt die junge Sopranistin und freut sich, dass sie für 20 Euro ein Outfit für die berühmte Hosenrolle aus der Hochzeit des Figaro bekommt.

Kleider machen nicht nur Leute. Kleider machen auch Schauspieler. Da ist sich Eva Weber, die Chefin der 50-köpfigen Kostümabteilung im Staatstheater, sicher. "Das richtige Kostüm hilft den Schauspielern dabei, für ihre Rolle in einen anderen Charakter zu schlüpfen." Mit der Kostümauswahl der Regisseure seien die Theaterschneider dagegen nicht immer einverstanden. Wenn Inszenierungen auf alte Lumpen oder nackte Tatsachen setzen, schütteln Eva Weber und ihre Kollegen regelmäßig mit ihren modebewussten Köpfen. "Uns machen historische Inszenierungen mehr Spaß", gibt Weber offen zu. Aus der modeschöpferischen Perspektive des Theaterschneiders seien klassische Aufführungen mit aufwendigen Kostümen viel interessanter.

Bei rund 30 Theaterproduktionen im Jahr spiele die Abwechslung auch eine Rolle. Trennen tue sich die Theaterschneiderei von ihren Schätzen nur ungern. Für die neue Spielzeit braucht die Kostümabteilung allerdings Platz im Kleiderschrank. Deshalb führe kein Weg daran vorbei, den Fundus mit dem Kostümverkauf auszumisten. "Deshalb verlangen wir auch nur so kleine Preise. Wir wollen die alten Kostüme wirklich loswerden", sagt Weber und lacht, während im Hintergrund der Kampf um die Kostüme weiter geht.