Nürnberg
Tatjana Gsell sagt im Prozess um den Tod ihres Mannes aus

22.10.2014 | Stand 02.12.2020, 22:05 Uhr

Unterwegs in den Gerichtssaal: Tatjana Gsell (rechts) in Begleitung ihrer Anwältin - Foto: Pelke

Nürnberg (DK) Im neuen Prozess um den mysteriösen Tod des Nürnberger Schönheitschirurgen Franz Gsell vor elf Jahren hat seine Witwe Tatjana viele ihrer früheren Aussagen widerrufen. Vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth sagte die 43-Jährige gestern als Zeugin, es habe keinen versuchten Versicherungsbetrug mithilfe von Autoschiebern gegeben.

Ein Schaulaufen ist dieser Gang vor Gericht für Tatjana Gsell sicher nicht. Mit wehendem Haar läuft sie schnellen Schrittes vorbei an den vielen wartenden Kameras. „Wie soll es mir schon gehen“, fragt sie während des Spießrutenlaufes rhetorisch in die Runde. Weil die Verteidigung erst einen neuen Beweisantrag stellen will, muss Gsell zunächst wieder den Saal verlassen.

Nach diesem Intermezzo nimmt die Witwe schließlich, ganz in Schwarz, Platz auf dem Zeugenstuhl vor dem Richter. Sie beginnt zu erzählen von einem Leben zwischen Abgrund und Glamour. Sie sitzt zwar nicht auf der Anklagebank. Aber der Richter ermahnt sie trotzdem, endlich mit der Wahrheit herauszurücken. Denn die Witwe hat nach dem Überfall immer neue Versionen aufgetischt.

Anfangs waren die Ermittler davon ausgegangen, dass der Überfall vom Ehepaar Gsell gemeinsam inszeniert war, um an die Versicherungssumme eines Luxuswagens zu kommen. Demnach sollte eine Autoschieberbande Gsells Wagen stehlen und ins Ausland bringen. Aussagen dazu und viele andere, wie wir später sehen werden, hat Gsell nun widerrufen. Angeklagt sind in dem aktuellen Prozess – und es hat in der Causa Gsell schon mehrere gegeben – zwei Männer aus Rumänien, die den Schönheitschirurgen vor elf Jahren daheim in seiner Privatklinik brutal ausgeraubt haben sollen. Der damals 76-Jährige starb kurze Zeit später an den Folgen des Überfalls.

Gsell berichtet also wie sie 1996 mit dem Schönheitschirurgen vor dem Traualtar gelandet ist, wie sie dann wieder Kontakt mit einem Staatsanwalt aus Hof und früheren Jugendfreund gehabt habe, schließlich einen bekannten Autohändler in Düsseldorf getroffen habe und mit ihm ein Dreivierteljahr später nach Marbella auf und davon sei. So weit so gut.

Mit der Zeit sei der gehörnte Ehemann sauer geworden und habe der Gattin gedroht, den Geldhahn zuzudrehen. Unter der teuren, spanischen Sonne sei sie auf die Idee gekommen, sagte Gsell, den alten Mercedes 500 SL zu verscherbeln, den sie von ihrem Mann geschenkt bekommen habe. Auf eine Verkaufsanzeige habe sich ein Autoschieber gemeldet. Sie habe die Idee gut gefunden, über einen fingierten Diebstahl ein bisschen mehr Kohle herauszuholen. Die Herren in ihrem Dunstkreis fanden das angeblich nicht so toll.

Richtig verabschiedet von der Idee, mit dem Autoschieber gemeinsame Sache zu machen, hat sich die Witwe aber offenbar nicht. Wie sonst erklären sich die zahlreichen Kontakte zu dem Kriminellen just bis zum Tag des Überfalls auf ihren Mann im Januar 2003, fragte sich auch der Richter. Und wie solle der Plan mit dem Versicherungsbetrug aufgehen, wenn der Mann, in dessen Garage der Wagen stand, dagegen war?

Verstehen konnte der Richter auch nicht, warum die Gsell erst den Autohändler aus Düsseldorf wegen Insolvenzverschleppung über ihren Freund aus Hof bei der Staatsanwalt anschwärzt und dann gemeinsam mit diesem Herren Monate in Spanien verbringt. Richter: „Hatten Sie eine Beziehung“ Gsell: „Nein, eine Liaison.“ Später hat sie den Autohändler sogar bei der Polizei als möglichen Hintermann bei dem Überfall auf ihren Mann ins Spiel gebracht. Gestern gab sie zu Protokoll, dass diese Version gelogen war. Was nach all den Jahren ohne juristische Folgen für sie bleiben wird.

Folgenreich könnte es für Gsell nur werden, wenn sich herausstellt, dass sie mit dem Überfall auf ihren Mann doch etwas zu tun hatte. Dazu soll eine neue Zeugin etwas sagen, deren Anhörung die Verteidigung der beiden Rumänen gestern beantragte.