Nürnberg
Sabine singt einfach ihr Ding

Mit ihrem Album "Der wilde Mohn" gießt die 33-jährige Wahlnürnbergerin deutsche Poesie in aufregende Songs

18.01.2017 | Stand 02.12.2020, 18:47 Uhr

Besingt den wilden Mohn: Sabine Seide. - Foto: Seide

Nürnberg (HK) Sabine Seide ist Sängerin. Und was für eine. Mit ihrem aktuellen Album "Der wilde Mohn" zeigt die 33-jährige Wahlnürnbergerin, dass Kunst immer noch vom Können kommt. Den Musikkonserven der Casting-Shows zum Trotz.

Sabine Seide braucht nicht viel, um ihre Zuhörer sprachlos zu machen. Ein Klavier, ein Mikrofon - fertig ist die Laube. Sie setzt sich an das Piano, schmeißt die schwarze, lange Mähne in den Nacken und beginnt die Tasten im wiegenden Dreivierteltakt zu streicheln. "Gelegentlich überkommt es mich" und "all das Geschrei da draußen interessiert mich nicht", gesteht sie dann in ihrem Song "Gelegentlich". Zwischen den Liedern wird sie auf der Bühne gerne einen flotten Spruch los. Auf den Mund gefallen ist die gebürtige Sächsin nicht. Eine brave Sängerin, die im Hintergrund läuft, sowieso nicht. Sie ist mehr Räubertochter als Prinzessin.

"Schwierig" hat die 33-Jährige schon immer "Schubladen" gefunden. Die sind der ausgebildeten Sängerin viel zu eng und zu klein. Dabei gibt es gerade im Jazz viele davon. Seide pfeift drauf und wirft die Schubladen aus dem Fenster. Anhören tut sich das wunderbar, wenn die Klischees mit einem lauten Knall auf die Erde krachen. Seide gießt wie auf ihrem aktuellen Album "Der wilde Mohn" deutsche Poesie in aufregende Songs. Mit Jazz im klassischen Sinne hat das alles nicht mehr viel zu tun. Mit Kunst dafür umso mehr.

"Ich wollte schon immer meine eigene Musik schreiben", erzählt die Sängerin. Dass das nicht von heute auf morgen geht, sei ihr von Anfang an klar gewesen. "Star sein und Künstler sein - das sind zwei paar Stiefel", findet Sabine Seide. "Ich bin schon so erzogen worden, dass man für den Erfolg arbeiten muss." Heute profitiere sie davon, Jazzgesang an der Musikhochschule in Nürnberg studiert zu haben. Kunst brauche Zeit.

Die hat sich Seide zum Glück genommen. Hat sich nicht mit Kalkül der Musikindustrie an den Hals geworfen. Das macht sie so spannend. Die Zuhörer spüren das Leben hinter den Melodien. Auf ihrem aktuellen Album "Der wilde Mohn" hat sie sich von der traditionellen Sprache der Jazzmusik getrennt. "Ich hatte einfach Lust auf meine Muttersprache." An der nächsten Platte arbeitet sie pausenlos. Wann das neue Album fertig ist, kann sie noch nicht sagen. Ganz tief eintauchen müsse sie in die Kunst und das gesangliche und stimmliche Handwerk, um die Musik am Ende scheinbar mühelos und spielerisch auf der Bühne dem Publikum präsentieren zu können. "Bei Akrobaten siehst du zum Beispiel die Arbeit. Bei uns Sängerinnen nicht", ist sich Seide sicher.

Mit Artisten ist Seide schon häufig aufgetreten. Für die Show im bekannten "Palazzo"-Zirkuszelt in Nürnberg stand sie eine Saison in der Manege. Überhaupt ist sie mit ihrer Kunst heute auf vielen Bühnen unterwegs. Sie unterrichtet da Gesang, spielt dort mit ihrem Trio und steht hier mit ihrer Band Seide auf der Bühne. Als singende "DJane" (so nennt man neudeutsch weibliche Discjockeys) beglückt sie sogar Brautpaare mit ihrer Stimme an ihrem schönsten Tag im Leben. Immer scheint sie sich dabei zuzuflüstern: "Mach dein Ding! Sei du selbst! Du bist die Wahrheit. Alles andere ist Käse." Diese guten Vorsätze umzusetzen, das gelingt Sabine Seide, nach allem, was man hört und sieht, ganz und gar großartig.