Nürnberg
Nürnberg und die bösen Nummernschilder

25.02.2014 | Stand 02.12.2020, 23:01 Uhr

Schöner Wagen mit bösem Kennzeichen: Stefan Ulzheimer denkt nicht daran, sein bisheriges Nummernschild aufzugeben. - Foto: Pelke

Nürnberg (DK) Es sind nur ein paar Buchstaben auf dem Nummernschild. Aber in Nürnberg entscheidet die „Stoßstangen-Poesie“ immer häufiger darüber, ob Mann oder Frau am Steuer als gut oder böse gilt.

Einer, der von der Debatte um die N-SU-Kennzeichen ein Lied singen kann, ist Stefan Ulzheimer. Neulich an der Ampel. Diese Kurven, dieser Sound. Auch der Typ hinter dem Lenkrad schaut nicht übel aus. Beim Blick nach unten dann der Schock: N-SU steht da schwarz auf weiß auf dem Nummernschild. Kurvt da etwa ein Sympathisant des Terrors im 911er Porsche durch die Gegend? „Nein“, sagt Stefan Ulzheimer lachend und lässt die schwarze Wagentür ins Schloss fallen. „Aber ich muss mich immer häufiger gegen solche absurden Vorwürfe wehren.“

In der Stadt der Reichsparteitage ist die Frage der Stoßstangen-Poesie besonders heikel. Neben den üblichen verdächtigen Kennzeichen von KZ bis SS, die bundesweit von den Behörden nicht vergeben werden, hatte Nürnberg lange Zeit exklusiv auch noch ein N-PD-Problem. Also rein autoschildtechnisch. Mit dem Bekanntwerden der mörderischen Taten der Zwickauer Terrorzelle bekam Nürnberg ein neues Problem aus der Buchstabensuppe für Stoßfänger: N-SU.

Oberbürgermeister Ulrich Maly (SPD) hatte der symbolträchtigen Abkürzung daraufhin den Kampf angesagt und wollte das schändliche Kürzel von den Straßen der Stadt fegen. Die orangefarbenen Dienstautos der Stadtentwässerung – offizieller Name Stadtentwässerung und Umweltanalytik Nürnberg – bekamen kurzerhand neue Kennzeichen verpasst, um sich fortan politisch korrekt um die Kloaken zu kümmern.

„Bisher haben 48 Bürger das Angebot eines verwaltungskostenfreien Umtauschs genutzt“, sagt Steffen Keßler von der Zulassungsstelle in Nürnberg. Aktuell seien noch 371 Fahrzeuge (bei einem Bestand von insgesamt rund 314 000) mit den neuerdings unerwünschten Schildern unterwegs. Darunter befänden sich auch etwa zehn Prozent türkische Mitbürger. Nach einer erfolgreichen Aktion klingt das nicht.

Auch der Porsche-Fahrer Stefan Ulzheimer will sein Kennzeichen behalten – obwohl sich der 42-Jährige mit den bemitleidenswerten Initialen immer häufiger vom Verdacht freisprechen muss, er führe auch nur das Geringste mit dem Nationalsozialistischen Untergrund im Schilde. Die Story, die der einige Jahre in den USA arbeitende Ulzheimer dann zu seiner Verteidigung erzählt, geht in Kurzform so: „Ich habe einem Wall-Street-Jüngelchen den Porsche abgekauft.“ Damals wollte der Kerl die Kiste unbedingt loswerden. Die Häuserblase war gerade explodiert. Der Arme konnte sich den schicken Drittwagen nicht mehr leisten in Manhattan.

„20 000 Meilen auf der Uhr, 42 000 Dollar, zum damaligen Wechselkurs waren das 25 000 Euro – da habe ich zugeschlagen“, sagt Ulzheimer. Also reiste er von Philadelphia nach New York und verschiffte den 911er nach Bremerhaven. Alles ganz easy, so Ulzheimer. „Nur die Bahnfahrt nach Hamburg war der Horror.“ Im Tunnel blieb plötzlich der Zug stecken, alle Passagiere mussten evakuiert werden. Zum Glück vergaß er nicht den Rucksack mit den Nummernschildern im Abteil. Die hatte ihm nämlich sein Vater extra schon vor seiner Rückkehr aus den Staaten besorgt. Ein Wunschkennzeichen für 12,80 Euro hatte der Papa spendiert: N für Nürnberg, S für Stefan und U für Ulzheimer. Die meisten Menschen, denen er diese Geschichte erzählt, lachen dann verständnisvoll und schütteln mit dem Kopf über den ganzen Buchstabensalat auf den Blechkarossen.

Der Nürnberger Oberbürgermeister verzichtet sogar auf die Verwaltungsgebühren, die bei einem Schilderwechsel entstehen, damit möglichst viele N-SU-Kennzeichen verschwinden. Aber auch dieses generöse Angebot kann Ulzheimer nicht überzeugen. „Was für ein alberner Unsinn!“, ärgert sich der Mann mit dem schönen Wagen und dem bösen Kennzeichen. „Zahlt die Stadt auch die neuen Schilder? Bekommt mein Vater auch das Geld für das Wunschkennzeichen zurück“, fragt er und wundert sich, dass „die Stadt nichts Besseres“ zu tun habe, als reflexhafte Symbolpolitik zu betreiben.