Nürnberg
Nichte jahrelang missbraucht

37-Jähriger vor dem Landgericht Nürnberg zu sieben Jahren Haft verurteilt

16.03.2018 | Stand 02.12.2020, 16:41 Uhr

Mehr als 200 Mal soll der Mann, der sich hinter einem Blatt Papier neben seinem Verteidiger Thomas Dolmány versteckt, seine Nichte missbraucht haben. - Foto: Pelke

Nürnberg (HK) Praktisch über die gesamte Kindheit soll ein 37-jähriger Bauunternehmer aus Nürnberg seine kleine Nichte missbraucht haben. In den Wohnungen des Täters in Nürnberg und des Opfers im Landkreis Erlangen-Höchstadt soll es insgesamt zu über 200 Vorfällen gekommen sein. Am Donnerstag ist der Angeklagte vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth zu einer Haftstrafe in Höhe von sieben Jahren verurteilt worden.

Der Fall klingt ungeheuerlich. In über 200 Fällen soll sich ein 37-jähriger Bauunternehmer aus Nürnberg zwischen den Jahren 2008 und 2015 an einem minderjährigen Mädchen sexuell vergangen haben. Über die Familienverhältnisse soll der Kontakt zwischen dem Täter und dem heute 17-jährigen Opfer erfolgt sein. Die zahlreichen Übergriffe des Onkels sollen im häuslichen Umfeld in Nürnberg sowie im Landkreis Erlangen-Höchstadt stattgefunden haben.

Mit einem schwarzen Kapuzenpulli betritt der ledige Angeklagte am Donnerstag den Gerichtssaal. Auf den ersten Blick könnte der 37-jährige Bauunternehmer aus Nürnberg durchaus das Bild eines netten Onkels abgeben. Was jedoch Oberstaatsanwalt Hans Ellrott dem Mann in seiner Anklageschrift haarklein zur Last legt, lässt den Junggesellen in einem anderen, düsteren Licht erscheinen. Fast über die gesamte Kindheit soll der Onkel seine Nichte missbraucht haben. Allein in 158 Fällen soll es zu "normalen", in genau 48 Fällen zu "schweren" sexuellen Übergriffen gekommen sein.

Stoisch hört sich der Mann mit Brille und Doppelkinn die Vorwürfe an. Über einen Zeitraum von sieben Jahren zwischen 2008 und 2015 soll sich der Angeklagte an seiner damals 7 bis 14 Jahre jungen Nichte vergangen haben. Die Beziehung zwischen dem etwas rundlich wirkenden Mann und dem Kind soll dabei immer ausschweifendere Züge angenommen haben. Häufig soll der Angeklagte dem Mädchen ein Bad eingelassen haben. Anschließend soll es zu den Übergriffen gekommen sein. Über den Verlauf der ungleichen Beziehung sollen die Kontakte immer extremere Züge angenommen haben. Als das Mädchen etwa 13 Jahre alt war, soll es auch zum Geschlechtsverkehr gekommen sein.

Nach dem erschütternden Vortrag aus dem Mund des Oberstaatsanwaltes gibt der Angeklagte über seinen Anwalt zu erkennen, dass er gestehen will. Hinter verschlossenen Türen wird daraufhin über eine Verständigung geredet - nach dem Motto: Geständnis gegen eine vielleicht etwas mildere Strafe. Immerhin würde dem Opfer damit eine Aussage vor Gericht erspart bleiben.

Oberstaatsanwalt Hans Ellrott hat acht, Verteidiger Thomas Dolmány für eine Freiheitsstrafe in Höhe von fünf Jahren plädiert. Richter Dieter Weidlich hat sich für eine Gesamtfreiheitsstrafe in Höhe zwischen sieben und siebeneinhalb Jahren ausgesprochen. Kristine Eberlein, Vertreterin der Nebenklage, hat am Rande der Verhandlung deutlich gemacht, dass sich die Familie des Opfers vor allen Dingen eines wünscht: Ruhe für das Mädchen, damit es die Vorkommnisse vollständig aufarbeiten kann. Das kann man dem Mädchen und der Familie nur wünschen. Der Angeklagte hat über seinen Anwalt anschließend vortragen lassen, dass er die sexuellen Übergriffe bereut.

Dann steht der Angeklagte kurz vor der Urteilsverkündung plötzlich selber auf und sagt: "Ich bedaure, dass ich das Vertrauen des Mädchens und der Familie derart missbraucht habe." Leider könne er die Vorfälle nicht mehr rückgängig machen. Weil der Mann die Übergriffe teilweise sogar heimlich mit der Videokamera aufgenommen haben soll, blieb dem Angeklagten wohl auch keine andere Wahl, als die Vorwürfe voll einzuräumen. Die Taten täten ihm leid, sagt der Angeklagte.

Der Vater des Opfers hat im Zeugenstand berichtet, wie die Familie davon ausgegangen sei, dass das Mädchen beim Onkel gut und vor allen Dingen sicher aufgehoben sei. Und wie eine aufmerksame Schulpsychologin das Kind dazu gebracht hätte, die ungeheuerlichen Taten den Eltern endlich zu erzählen. Am Anfang habe das Kind befürchtet, dass das heile Familienleben unter der Offenbarung leide. Heute gehe es dem Mädchen sowohl schulisch als auch privat gut. Am Ende hat das Landgericht den Onkel zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von sieben Jahren verurteilt.