Nürnberg
Hoffen auf einen gelungenen Neuanfang

Um Wöhrl-Eigentümer Christian Greiner ist es derzeit ruhig Optimistischer Betriebsrat, skeptische Gewerkschaft

05.01.2018 | Stand 02.12.2020, 16:59 Uhr

"Die Stimmung ist wieder positiv" - im Wöhrl-Stammhaus in Nürnberg hat sich laut Betriebsrat Michael Tillmann einiges geändert. - Foto: Pelke

Nürnberg (HK) Nach der dramatischen Rettung ist es auffallend ruhig geworden um das fränkische Modehaus Wöhrl. Während die Gewerkschaft dem neuen Eigentümer Skepsis entgegenbringt, setzen die Mitarbeiter im Stammhaus in Nürnberg große Hoffnungen in Christian Greiner.

Im Stammhaus am Weißen Turm in Nürnberg hat sich auf den ersten Blick wenig geändert. Nichts erinnert daran, dass seit dem Frühjahr mit Christian Greiner ein neuer Zweig der Familie Wöhrl das Sagen im Familienunternehmen hat. Um den 38-jährigen Eigentümer des Modehauses mit dem berühmten Knopf im Firmenlogo ist es erstaunlich ruhig geworden, seit der Wöhrl-Sohn im Frühjahr dieses Jahres das angeschlagene Modehaus vom anderen Wöhrl-Zweig um Gerhard Wöhrl übernommen hatte.

Nur Greiners Papa, Hans Rudolf Wöhrl, sorgte während der Pleite von Air Berlin für Schlagzeilen. Auch Dagmar Wöhrl zeigte sich als "Löwin" via Privatfernsehen ständig in der Öffentlichkeit. Vom neuen Wöhrl-Eigentümer hat man dagegen in dem letzten halben Jahr kaum etwas gehört. Nach der Übernahme macht sich der neue Chef offensichtlich rar. Presseanfragen lässt er mehrfach unbeantwortet. Das führt zur Kritik und macht besonders die Gewerkschaft skeptisch.

"Ich habe den Eindruck, dass bei Wöhrl seit der Übernahme durch Christian Greiner nichts Entscheidendes passiert ist", sagt die für den Einzelhandel in Mittelfranken zuständige Verdi-Mitarbeiterin, Gabriele Ziegler, auf Anfrage. Es sei zu hoffen, dass Greiner die Firma nicht nur mit warmen Worten schönreden und danach mit Gewinn verkaufen wolle. In der Belegschaft steige jedenfalls die Skepsis gegenüber der Unternehmensleitung, sagt Ziegler und verweist auf fehlende Investitionen. "Beim einzigen Treffen von Herrn Greiner mit den Gesamtbetriebsräten erkundigten sich diese nach den geplanten Investitionen und deren Höhe, wozu Herr Greiner angab, dass keine finanziellen Investitionen geplant sind."

Neben frischem Geld fehlten auch Konzepte. Der neue Chef wolle lediglich mit Unterwäsche und Mode für Mollige die Attraktivität des Modehauses steigern. "Das ist für eine Firmenrettung in meinen Augen doch äußerst dürftig."

Dagegen blickt Michael Tillmann nach der Wöhrl-Rettung optimistisch in die Zukunft. "Diese Information zur Begrüßung der Kunden haben wir sofort nach der Übernahme durch Christian Greiner wieder eröffnet", sagt der Betriebsrat und zeigt auf eine "Info-Point" genannte Rezeption mit einer freundlichen Mitarbeiterin im Eingangsbereich des Stammhauses am Weißen Turm in Nürnberg. Michael Tillmann erinnert sich mit Schrecken an die Zeit der Insolvenz des Modehauses Wöhrl zurück. "Ich habe die Suche nach einem Investor live miterlebt. Heute kann ich nur sagen: Wir haben Glück gehabt, dass Christian Greiner und damit ein Spross der Familie Wöhrl den Zuschlag erhalten hat." Vier Modehäuser von Berlin über Roth, Langwasser bis München-Neuperlach sind im Zuge der Beinahepleite geschlossen wor-den. Zahlreiche Ex-Kollegen hätten sich neue Jobs suchen müssen, andere seien in anderen Häusern der Marke untergekommen, berichtet Tillmann.

"Die alte Unternehmensführung hat Fehler gemacht", sagt Tillmann und verweist auf ganz praktische Beispiele aus dem Einzelhandel. "Wir sind mit der Kinderabteilung vom Untergeschoss wieder in den vierten Stock neben den Wickelraum mit den Toiletten umgezogen." Im Untergeschoss sei die Kinderabteilung unter der Ägide des alten Eigentümers, Gerhard Wöhrl, "völlig deplatziert" gewesen. Freilich gebe es noch viel zu tun, um das Mutterschiff des Modehauses in der Nürnberger Fußgängerzone wieder auf einen nachhaltigen Erfolgskurs zu führen. "Wir müssen jetzt unsere Hausaufgaben machen", sagt Tillmann und hat dabei besonders die rund 230 Beschäftigten im Stammhaus am Weißen Turm im Blick. Vieles werde von dem Engagement der Mitarbeiter abhängen, ob das neue Konzept von Christian Greiner mit einem Fokus auf Mode für Mollige und einer größeren Unterwäscheabteilung aufgehe. "Wir Mitarbeiter müssen ein Bild der Harmonie in den Verkaufsräumen zeigen." Kontraproduktiv seien Debatten über die Bezahlung.

Die Gewerkschaft fordert die Einführung eines Tarifvertrages für die Mitarbeiter. Die neuen Eigentümer setzen weiterhin auf eine erfolgsorientierte Bezahlung mit Grundgehältern und Bonuszahlungen für gute Einzelleistungen von Verkäufern. "Auch Christian Greiner setzt auf das Prämienmodell. Dadurch verdienen sehr viele Mitarbeiter mehr Geld, als sie in einem Tarifvertrag bekommen würden. Der Einfluss der Gewerkschaft sei in dem Familienunternehmen niedrig. "Bei uns sind nur fünf bis zehn Prozent der Mitarbeiter in der Gewerkschaft." Diese kritisiert die ihrer Meinung nach niedrigen Stundenlöhne und wirft dem neuen Eigentümer "weiterhin Tarifflucht" vor. Verkäufer bei Wöhrl bekommen rund zwölf Euro pro Stunde plus Verkaufsprämien ab einem gewissen Mindestumsatz.

Die Stimmung in der Belegschaft sei wieder positiv im Stammhaus, sagt dagegen Tillmann. Dazu beigetragen hätten auch die Konzepte des neuen Eigentümers. "Wir machen wieder mehr Werbung. Wir veranstalten wieder viele Events. Hier tut sich wieder etwas", freut sich Tillmann und verweist auf die neue Geschäftsleitung des Hauses am Weißen Turm, die nach der Übernahme durch Christian Greiner an der Spitze des Stammhauses installiert worden ist. "Wir sind das Stammhaus. Wir müssen das allerbeste sein."

Das wirtschaftliche Klima sei im Einzelhandel durch die wachsende Konkurrenz aus dem Internet freilich schwieriger geworden. "Die stationäre Textilbranche ist derzeit eine der schwierigsten Branchen überhaupt. Wir wollen uns vom Onlinehandel fernhalten. Wir wollen bei diesen ständigen Rabattschlachten nicht mehr mitmachen. Wir werden uns nur durch guten Service und gute Beratung von der starken Konkurrenz abheben können", erklärt Tillmann. Positiv sei, dass die Konzernzentrale "massiv verkleinert" werden soll. Ab April solle die Verwaltung neue Büros in Nürnberg beziehen. "Dadurch kann Wöhrl hohe Mietkosten einsparen. Das hilft uns sicher auch weiter." Befürchtungen, dass der neue Eigentümer die Modemarke nach dem Vorbild von Finanzhaien schon bald gewinnbringend wieder abstoßen und verkaufen könne, teilt Tillmann nicht. "Wir feiern im nächsten Jahr das 85-jährige Bestehen des Familienunternehmens Wöhrl. Ich bin der festen Überzeugung, dass die Familie Wöhrl zu ihren Häusern steht. Neben Christian Greiner besuchen uns häufig hier im Stammhaus auch Dagmar und Hans Rudolf Wöhrl. Das zeigt mir, dass die Familie dem Unternehmen nach wie vor mit sehr viel Herzblut verbunden ist." Nicht nur im Stammhaus hoffen die Mitarbeiter, dass der Neuanfang gelingt.