Nürnberg
Großer Monarch mit Schattenseiten

Neue Landesausstellung in Nürnberg widmet sich dem Leben Karls IV.

14.10.2016 | Stand 02.12.2020, 19:11 Uhr

Foto: DK

Nürnberg (DK) Einzigartige Kulturschätze versammelt die neue Landesausstellung über Kaiser Karl IV. im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg. Sie wird am 20. Oktober eröffnet.

Die dunklen Rotunden, durch die der Besucher durch die Ausstellung hindurch wandeln muss, wirken wie eine Zeitmaschine. In eine Zeit, als Böhmen kurz vor den Toren der Frankenmetropole begann. In eine Epoche, in der der sprachbegabte Regent (fünf Sprachen!) der tonangebende Mann im Reich gewesen ist.

Bevölkert sind diese zylindrischen Rotunden mit dem Kostbarsten, was die Epoche von Karl IV. zu bieten hat. Gleich zu Beginn beamt er uns höchstpersönlich 700 Jahre zurück, als Flüsse noch in der Lage gewesen sind, Menschen zu trennen. Karl schenkte seiner Heimatstadt die allererste Brücke über die Moldau. Überlebensgroß haben sie ihn deshalb in Stein gemeißelt. Zwei Tonnen wiegt dieser Karl, der die Besucher gleich am Eingang der Ausstellung empfängt. Damit der echte Karl in Nürnberg gezeigt werden konnte, musste das Museum den Boden extra verstärken.

Wer schon mal in Prag gewesen ist, wird sich sagen: "Moment, die Figur steht doch auf der Karlsbrücke!" Stimmt. Allerdings nur fast. Dort wacht Karl als Kopie über das Bauwerk. Im Germanischen Nationalmuseum begrüßt der "echte Karl" die Besucher der Schau, die in Kooperation zwischen dem Haus der Bayerischen Geschichte und der Prager Nationalgalerie entstanden ist. Brücken bauen soll diese Landesausstellung über den in Deutschland eher unbekannten Herrscher aus dem Mittelalter heute auch. Genauso spielerisch wie vorzüglich gelingt das dieser Schau.

Vor jedem der knapp 200 Kunstwerke von Weltrang wird der Betrachter die Vorteile eines Kulturraums jenseits aller Grenzen wahrhaftig nachempfinden können. Mit den Augen kann er die Früchte dieses Austausches überall erkennen, die die meist unbekannten Meister im 14. Jahrhundert zum Vorteil der Zwillingsstädte Nürnberg und Prag geschaffen haben. Mit Karl IV. rückte Böhmen ins Zentrum des Reiches. Dank dieser Ostverschiebung profitierte auch die alte Reichsstadt an der Pegnitz.

Karl stammte aus dem Geschlecht der Luxemburger. Wenn er von Böhmen in seine alten Stammlande an den Moselstrand reisen wollte, musste er wohl oder übel durch Nürnberg. Das Flugzeug war noch nicht erfunden. Hinfliegen konnte er also nicht, wenn er von Prag nach Luxemburg reisen wollte, um dort nach dem Rechten zu sehen. 20-mal soll Karl mindestens Station in Nürnberg gemacht haben.

Für beide Seiten war es - gestern wie heute - fruchtbar, gute Beziehungen zu pflegen. Die Patrizier nutzten die Nähe zur Macht Karls zum Füllen ihrer Geldbeutel. Die ehemalige Salzhandelsroute zwischen Prag und Nürnberg erhielt schon damals den sprechenden Namen "Goldene Straße".

Im Gefolge der wirtschaftlichen und politischen Machtverschiebung blühten Böhmen und Franken gemeinsam auf. An der Moldau stieg Karl, der italienische Gelehrte als Brieffreund und französische Schönheiten als Geliebte hatte, im Laufe der Jahrhunderte zum Nationalheiligtum auf. In Prag trifft man den alten Recken an jeder Ecke. Auch in Nürnberg hat er sich verewigt. Den Hauptmarkt mit dem Schönen Brunnen würde es ohne ihn nicht geben. Dunkle Kapitel verdankt die Frankenmetropole ihm freilich auch. Dem Judenpogrom mit seinen wohl 600 Menschenopfern soll Karl seinerzeit sein kaiserliches Plazet gegeben haben. Nach der Pest hatten die Menschen damals wohl einen Sündenbock gebraucht.

Karl hatte auch seine Schattenseiten. Und nicht zu wenige. Geldgier und Hinterlist sollen nur zwei unschöne Züge an ihm gewesen sein. "Bei uns in Tschechien wurde Karl IV. immer nur hochgejubelt. Deshalb wollte ich bewusst seine Schattenseiten zeigen", sagt Jiri Fajt, Direktor der Prager Nationalgalerie, und verweist darauf, dass Chronisten den Nationalhelden seinerzeit "Karl den Listigen" getauft hätten. Die Kaltblütigkeit, mit der Karl seine machtpolitischen Interessen verfolgte, steht nicht im Zentrum der Ausstellung.

Im Mittelpunkt glänzt sie mit Artefakten von unschätzbarem Wert. So ist es den Machern gelungen, aus dem amerikanischen Boston die Ikone der böhmischen Kunst nach Europa zu holen. Der "Marientod" ist laut Frank Matthias Kammer, Leiter der Skulpturensammlung am Germanischen Nationalmuseum, das Highlight der böhmischen Kunst. Sie stehe für diese wie die Mona Lisa für Leonardo da Vinci. Neben Boston zeigte sich Prag besonders großzügig in der Herausgabe seiner Schätze. Ein Votivbild mit dem knieenden Karl IV. wurde zum allerersten Mal ins Ausland verliehen.

Imposanter kann man den Glanz des grenzübergreifenden Kulturraumes nicht zeigen. Die Ausstellung lässt keine Wünsche offen.

Die bayerisch-tschechische Landesausstellung "Karl IV. - 1316 - 2016" ist vom 20. Oktober bis 5. März 2017 im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg zu sehen. Der Eintrittspreis für Erwachsene liegt bei 10 Euro.