Nürnberg
Beratung schützt vor Obdachlosigkeit

Institut untersucht Arbeit von acht bayerischen Fachstellen: Erfolgsquote liegt bei knapp 70 Prozent

27.11.2015 | Stand 02.12.2020, 20:29 Uhr

Nürnberg (DK) Immer mehr Menschen in Deutschland haben kein Zuhause mehr – sie sind obdachlos. Das kann teuer werden für die Kommunen im Freistaat, die gesetzlich für die Unterbringung der Betroffenen zuständig sind. Eine Studie zeigt nun, dass rechtzeitige Beratung Kosten dämpfen könnte.

Die Zahl der Obdachlosen in Deutschland wächst – auf rund eine halbe Million in den nächsten drei Jahren nach Berechnungen der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosigkeit, davon gut zehn Prozent in Bayern. Die Kommunen im Freistaat müssen sich um die Unterbringung der Obdachlosen kümmern. Eine ernste Aufgabe, gerade jetzt, wo der Winter vor der Tür steht.

Doch eine neue Studie der Evangelischen Hochschule Nürnberg im Auftrag der Diakonie Bayern zeigt, wie die Kommunen die Kosten dämpfen können: Nämlich durch rechtzeitige Beratung der von Wohnungslosigkeit Betroffenen. Acht bayerische Landkreise und Städte (die Landkreise Ostallgäu, Weilheim-Schongau, Rosenheim und Ebersberg sowie die Städte Penzberg, Neu-Ulm, Freising und Rosenheim) haben bereits entsprechende Fachstellen eingerichtet – und sparen damit insgesamt rund zwei Millionen Euro jährlich an Unterbringungskosten. Für die Diakonie Bayern ist damit klar: „Soziale Arbeit rechnet sich auf Heller und Pfennig“, so der zuständige Fachvorstand Tobias Mähner. „Der Ertrag von Prävention lässt sich beziffern.“

Über einen Zeitraum von einem Jahr hat das Institut für Praxisforschung an der Evangelischen Hochschule in Nürnberg die Arbeit von acht Fachstellen zur Verhinderung von Wohnungslosigkeit untersucht. Von Juni 2013 bis Mai 2014 wurden über 1200 Fälle ausgewertet. Professor Joachim König, der die Studie leitete, meint: „Die Unterbringung von Wohnungslosen in Pensionen ist bis zu fünfeinhalbmal so teuer wie die präventive Beratung. Mit anderen Worten: Durch die Bezuschussung der Fachstellen spart die öffentliche Hand 2,3 Millionen Euro pro Jahr.“ Ein Euro an Zuschuss für die Beratung könne so bis zu neun Euro Ausgaben an anderer Stelle sparen.

Und die Notwendigkeit der Prävention wächst: In Bayern hat sich die Zahl der Sozialwohnungen von 250 000 im Jahr 1999 auf 130 000 im Jahr 2014 nahezu halbiert, und das bei einem angespannten Mietmarkt. „Die 500 Millionen Euro, welche die Bundesregierung jetzt für den Sozialwohnungsbau beschlossen habe, sind darum zwar ein Schritt in die richtige Richtung, machten sich aber angesichts der 700 Millionen Euro, die allein die Stadt Wien im Jahr 2015 dafür ausgibt, als nahezu bescheiden aus“, so Mähner.

Die Untersuchung, so Studienleiter König, habe nicht nur die Kosten der Fachstellenarbeit untersucht, sondern auch die Effektivität: „In knapp 70 Prozent aller untersuchten Fälle konnte Wohnungslosigkeit verhindert werden, der Umzug in eine Pension beziehungsweise wirkliche Wohnungslosigkeit trat nur in fünf Prozent der untersuchten Fälle ein.“ König weiter: „Oft stehen Sozialausgaben ja unter dem Verdacht, rein konsumtiv, also aufzehrend zu sein. Die Studie belegt: Sie sind eine Investition in eine effiziente Arbeit, die sich zudem rechnet.“