Nürnberg
Ausstellung feiert Wiederaufbau nach Zerstörung

Fotografien im Handwerkerhof geben Alltag der Menschen in den Jahren von 1945 bis 1960 anschaulich wieder

14.08.2017 | Stand 02.12.2020, 17:39 Uhr

Schon kurze Zeit nach dem Krieg fuhr wieder die Straßenbahn durch die noch schwer gezeichnete Stadt (oben). In den 50ern wurde dann rasant gebaut und neben den historischen Bauten zeigte die Moderne ihr Gesicht (unten). - Foto: Stadtarchiv Nürnberg

Nürnberg (HK) Im Handwerkerhof präsentiert das Nürnberger Stadtarchiv bislang unveröffentlichte Bilder aus der Nachkriegszeit. Auf den Fotos werden besonders die Leistungen des Wiederaufbaus gewürdigt.

Käfer brausen über den Hauptmarkt. Das neue Rathaus an der Nordseite des Platzes ist schon fast fertig. Wir schreiben das Jahr 1955. Ein Jahrzehnt liegt das Ende des Zweiten Weltkrieges zurück. "Schon", könnte man denken. "Erst", würden wohl die sagen, die die unermessliche Zerstörung der Stadt mit eigenen Augen gesehen haben. In seiner Sommerausstellung erinnert das Stadtarchiv Nürnberg mit bislang unveröffentlichten Aufnahmen an die großen Leistungen des Wiederaufbaus.

Nürnberg war nach dem Krieg nicht mehr Nürnberg. Im Bombenhagel untergegangen war die Altstadt mit ihren Bürgerhäusern, Gassen, Kirchen und Plätzen. Nürnberg glich einer Trümmerwüste. Über 90 Prozent aller Häuser waren ganz oder teilweise zerstört. Die Hälfte der Bevölkerung hatte kein Dach mehr über dem Kopf, rund 40 Prozent der Bausubstanz war verloren. Rund die Hälfte des Wohnraums ausgelöscht. Vor diesem Hintergrund muss man die 13 Aufnahmen betrachten, die das Stadtarchiv Nürnberg derzeit im Handwerkerhof präsentiert.

"Das Jahrzehnt zwischen 1950 und 1960 ist gekennzeichnet durch den Wiederaufbau der von den Bombenangriffen des Zweiten Weltkriegs schwer gezeichneten Stadt", erklärt Ruth Bach-Damaskinos, die Kuratorin der kleinen aber feinen Schau, die noch bis zum 16. September im Forum des Handwerkershofs zu sehen ist. Während es in den fünf Jahren nach der Niederlage ums nackte Überleben ging, stand ab 1950 neben dem Wiederaufbau auch der Neuaufbau im Mittelpunkt.

Dabei sei es gelungen, die "unverwechselbare Physiognomie Nürnbergs mit den Erfordernissen einer modernen Großstadt in Einklang" zu bringen, erklärt Bach-Damaskinos, wissenschaftliche Mitarbeiterin des Stadtarchivs. So seien neben den Wahrzeichen wie Kaiserburg und Stadtmauer beispielsweise auch die Kirchen, die Mauthalle oder das Albrecht-Dürer-Haus wieder aufgebaut worden. An anderen Stellen, wo der Grad der Zerstörung wohl zu groß war, wurden neue Gebäude errichtet.

Die Bayerische Staatsbank entstand beispielsweise am Lorenzer Platz. Das Plärrerhochhaus wuchs in diesem Jahrzehnt des Wiederaufbaus ebenfalls in den Himmel. Entlang des Laufertor-, Marientor- und Königstorgrabens wurden die für die 50er typischen Versicherungs- und Bürohäuser mit ihren Rasterfassaden hochgezogen. In den Vorstädten, aber auch in der Innenstadt war die Schaffung von Wohnraum eine vordringliche Aufgabe. Im Südosten von Nürnberg wuchs mit Langwasser sogar ein neuer Stadtteil empor. Mit Hilfe staatlicher Programme und dem Geld aus dem amerikanischen "Marshall-Plan" sind zwischen 1945 und März 1955 allein über 43 000 neue Wohnungen entstanden, so dass im zehnten Nachkriegsjahr bereits rund 110 000 Wohnungen wieder vorhanden waren, hat der Nürnberger Historiker, Matthias Klaus Braun, in einem Beitrag zum "Wiederaufbau in Nürnberg" erklärt.

Teilweise sei dabei "wegweisende moderne Architektur" entstanden, sagt Bach-Damaskinos. Die modernen Nachkriegsbauten aus der Ära des Wiederaufbaus sind heute freilich manchen ein Dorn im Auge. Das neue Pellerhaus am Egidienberg, das auf den Ruinen des alten Pellerhauses errichtet worden ist, steht schon seit Jahren in der Kritik. Besonders die Freunde der Altstadt würden den nüchternen Nachkriegsbau lieber heute als morgen durch eine Rekonstruktion des Prachtbaus ersetzen.

Damals galten die Neubauten den Menschen freilich wohl eher als Signal für eine positive Zukunft. Auf vielen Aufnahmen glaubt man so etwas wie Lebensfreude in den Gesichtern der Menschen wiederzuerkennen. Nach den unfassbaren Zerstörungen des Krieges scheint das Schlagwort vom "Wirtschaftswunder", das man mit den Jahren zwischen 1950 und 1960 verbindet, mehr als berechtigt. Der Bevölkerung muss dieses Jahrzehnt wahrhaftig wie ein Wunder vorgekommen sein. "Die für diese Ausstellung größtenteils erstmals zusammengestellten Fotografien machen das Nebeneinander von Tradition und Moderne sowie das mit dem Wirtschaftsaufschwung rasch einhergehende neue Lebensgefühl der Stadtbevölkerung deutlich", sagt Bach-Damaskinos.

Insgesamt sind 13 bislang unveröffentlichte Farb- und Schwarz-Weiß-Aufnahmen zu sehen. Entstanden sind die Fotos im Auftrag der städtischen Bauverwaltung, die seit den späten 1890er-Jahren eigene Aufnahmen zur Dokumentation des kommunalen Baugeschehens veranlasste. Gerade die Nachkriegsjahre, in denen zahlreiche Neubauten errichtet wurden, seien für die Fotografen des Hochbauamts eine ergiebige Zeit gewesen. Auf vielen Bildern wird der Alltag der Menschen in den Jahren von 1945 bis 1960 anschaulich wiedergegeben. Die Menschen blicken offensichtlich wieder optimistisch in die Zukunft. Auch wenn die Kriegswunden nicht komplett verheilt waren, ist auf den Aufnahmen mit den neuen Bauwerken eine große Aufbruchstimmung zu spüren. Es ist das Verdienst der aktuellen Ausstellung im Handwerkerhof, auf diese besonders prägende Zeit der Stadtgeschichte aufmerksam zu machen.