Neumarkt
Die Jagd nach dem Bernsteinzimmer

19.02.2016 | Stand 02.12.2020, 20:11 Uhr

Nachbau des Bernsteinzimmers: Im Katharinenpalast im russischen Sankt Petersburg können Besucher heute ein originalgetreues Replikat besichtigen. Mit dem Nachbau wurde im Jahr 1976 begonnen - im Jahre 2003 wurde er fertiggestellt. Das Original ist seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs verschwunden. - Foto: AFP

Neumarkt/Frydlant (DK) Es wäre so einfach. Mauer einreißen. Reingehen und rausholen. Denn dass SS-Männer das Original-Bernsteinzimmer aus dem Katharinenpalast bei Sankt Petersburg am Ende des zweiten Weltkrieges auf Schloss Frydlant versteckt haben, dessen sind sich Erich Stenz und Georg Mederer sicher. Aber so einfach ist die Sache nicht.

Bei den tschechischen Behörden stößt die Schatzsuche aus der Oberpfalz auf wenig Gegenliebe. Von unprofessionellem Vorgehen und komplettem "Unsinn" soll Jana Pavlíková, Kunsthistorikerin und Kastellanin auf Schloss Frydlant, gegenüber dem tschechischen Nachrichtenserver "Lidovky.cz" gesprochen haben.

MiloÅ¡ Kadlec, Leiter der Denkmalverwaltung soll auf die Schatzsucher gereizt reagieren. "Es wäre nicht das erste Mal, dass eine ganz heiße Spur nach Nordböhmen führen würde", sagte er der "Prager Zeitung". "Die Kisten, die wohl diese Köchin gesehen hat, wurden irgendwann kurz vor Kriegsende ins Schloss gebracht. Aber darin waren Bücher aus Berliner Bibliotheken, die noch im Jahr 1945 wieder nach Berlin zurückgeschickt wurden."

"In Berlin weiß man davon nichts", kontert Stenz. Und auch die Zeitzeugin hält der ehemalige BND-Mann für glaubwürdig. "Meine Mutter hat einen Eid auf Hitler geschworen", hatte ihm deren Tochter gesagt. "Ich glaube sie nimmt ein ungeheures Geheimnis mit ins Grab." Vierzehn Tage lang will die ehemalige Köchin auf Schloss Frydlant beobachtet haben, wie SS-Männer Kisten in den Schlosskeller brachten und dort einmauerten. Außerdem will Stenz ein Notenblatt dekodiert haben. "Darin gibt es sogar Warnungen, wo Grabungen gefährlich werden könnten."

Erich Stenz wirkt etwas müde an diesem Morgen in Neumarkt. Seit Tagen reisen der pensionierte Wirtschaftsdetektiv (70) und sein Freund, der Unternehmer Georg Mederer (64) durch die Republik, von einem Pressetermin zum nächsten, zu Dreharbeiten nach Tschechien und zu Gesprächen mit Zeitzeugen wie Luise Bergmann nach Altötting. Sie berichtet von einer Art "Sondierung der Nazis auf dem Schloss". "Als Kinder mussten wir Kisten mit Büchern und Kunstgegenständen aus dem Berliner Stadtschloss ins Schloss tragen. Dafür war sogar die Schule ausgefallen", sagt die alte Dame gegenüber unserer Zeitung. Als sie von Stenz hörte, habe sie sofort an das Bernsteinzimmer gedacht.

Der Presseansturm hat strategische Ursachen. Die beiden Oberpfälzer wollen über die Medien den Druck auf die Schlossherrin und die tschechischen Behörden zu erhöhen. Allen voran auf die Tschechische Denkmalbehörde NPU.

Die NPU, so glaubt Stenz, "mauert, weil sie etwas zu verbergen hat". Das wäre doch ein Skandal, wenn herauskäme, dass die Behörden von dem unglaublichen Schatz im Keller seit Langem wissen. "Immerhin gehört das Bernsteinzimmer ja den Russen", sagt er. Oder schlimmer noch: Stenz vermutet, dass die Kommunisten all die Möbel, Leuchter und Lüster, Kristalle und Mosaike aus dem Bernsteinzimmer längst unter sich aufgeteilt haben.

Beweise dafür hat er nicht. Auch keine dafür, dass es überhaupt dort verborgen ist. "Aber alles passt einfach zusammen", sagt er. Die Aussage der inzwischen verstorbenen Köchin. Das Notenblatt, das ein holländischer Journalist und Schatzsucher ins Internet stellte und dessen Geheimcode er mittlerweile entschlüsselt haben will. Schon im Namen des Komponisten Gottfried Federlein liest Stenz einen Hinweis auf den Fundort heraus. "Nur derjenige, der den Ort Friedland und das Schloss kennt, kann mit der Mischung aus Noten, Text und Runenzeichen etwas anfangen", sagt er.

Spurensuche ist sein Metier. Bis vor einigen Jahren führte er eine Wirtschaftsdetektei. "Mein Bauchgefühl hat mich immer zum richtigen Ziel geführt", sagt Stenz. Und das sage ihm auch jetzt: "Das Bernsteinzimmer liegt auf Schloss Frydlant."

An die 20-Mal waren Stenz und Mederer in den vergangenen acht Jahren in Tschechischen und haben Forschungen veranlasst. Forschungen gemeinsam mit Spezialisten für "zerstörungsfreie Prüfung im Bauwesen", wie Andreas Hasenstab. Und Forschungen, die auch eine Menge Geld kosten. Rund 50 000 Euro haben die beiden Schatzjäger inzwischen investiert. Alleine Hasenstabs Radar-Untersuchung der Kellerwände hat 3000 Euro gekostet. Der Bauingenieur aus Augsburg bestätigte im März 2015 die Veränderung im Mauerwerk und auch die dahinter liegenden Räume. "Als es anfing interessant zu werden, haben sie weitere Untersuchungen verweigert", sagt er. Dabei gab es nach anfänglichem Hin und Her sogar einen Vertrag mit den Tschechen. Er endete mit der Radaranalyse. "Wir wollten immer eine Kooperation", sagt Stenz und klagt über Kompetenzgerangel.

"Jetzt wollen sie für jeden Raum einen Antrag von uns. Erst dann soll entschieden werden, ob wir dort Untersuchungen durchführen dürfen." Stenz würde gerne ohne solche Hindernisse einfach das Geheimnis lüften und wertet solche Reaktionen als klares Indiz: "Da stimmt was nicht, sonst würden sie nicht so reagieren." Jetzt seien die Politiker gefragt.

"Das ist zwar alles recht anstrengend, zurzeit", sagt Stenz. "Aber glauben Sie mir, müde, dieses Geheimnis zu lüften, bin ich noch lange nicht."