Neuburg
Notarzt muss um Führerschein fürchten

Neuburger Mediziner raste zu Einsatz und hat nun Ärger mit der Justiz – Er wehrt sich

05.02.2015 | Stand 02.12.2020, 21:41 Uhr

 

Neuburg (DK) Ein Kind drohte zu ersticken, als der Neuburger Notarzt Alexander Hatz im April 2014 alarmiert wurde. Mit Blaulicht und Sirene raste er zum Einsatzort. Zwei Wochen später bekam er Post: Ein entgegenkommender Autofahrer hatte ihn angezeigt – wegen Straßenverkehrsgefährdung.

An den Einsatz kann sich Alexander Hatz noch gut erinnern. Ein zweijähriges Kind hatte Sekundenkleber gegessen. Der ganze Mund war verklebt. „Da entsteht schnell Panik. Es war ein typischer Kindernotfalleinsatz“, erzählt der Ärztliche Leiter des Rettungsdienstes in der Region 10. Der erfahrene Mediziner öffnete die Zähne des Kindes und löste die Verklebung. „Dem Kind geht es wieder gut. Erst gestern hat sich die Mama bei mir noch einmal bedankt“, sagt Hatz.

So weit, so gut – wäre da nicht der Strafbefehl gegen ihn: 4500 Euro soll der Notarzt zahlen, seinen Führerschein für sechs Monate abgeben. Hatz versteht die Welt nicht mehr, sieht seine Berufsausübung in Gefahr, immerhin ist er auch Betriebsarzt für Firmen in ganz Bayern. „Das hat ein Notarztbesuch eben so an sich, dass es schnell gehen muss“, ärgert er sich. Gegen den Strafbefehl hat er Einspruch eingelegt. Im April wird der Fall vor dem Neuburger Amtsgericht verhandelt.

Wie weit darf ein Arzt im Einsatz gehen, um Menschenleben zu retten? Der Leitende Oberstaatsanwalt Helmut Walter bestätigt, dass man anhand von Zeugenaussagen von einer Straßenverkehrsgefährdung ausgeht. An einen ähnlichen Fall kann er sich nicht erinnern, aber: „Die hohen Sonderrechte im Falle eines Notfalles haben auch Grenzen, und die liegen da, wo andere gefährdet werden“, sagt Walter und macht klar, dass die Staatsanwaltschaft Ingolstadt den Fall sorgfältig geprüft habe – immerhin war abzusehen, dass ein Strafbefehl gegen einen Notarzt im Einsatz hohe Wellen schlagen wird.

Konkret wirft die Staatsanwaltschaft dem Mediziner im Strafbefehl vor, im April 2014 auf der Staatsstraße 2043 zwischen Zeller Kreuzung und Karlshuld beim Überholen zwei entgegenkommende Fahrzeuge zum Abbremsen und Ausweichen auf die Bankette gezwungen zu haben. An eine gefährliche Situation könne er sich nicht mehr erinnern, erklärt Hatz. Doch fahre er in solchen Fällen immer mit Blaulicht, Martinshorn und Lichthupe, um die anderen Verkehrsteilnehmer zu warnen.

„Es gibt keinen Schaden, keine Spuren, keinen umgefahrenen Leitpfosten“, sagt Anwalt Florian Englert. Der Vorwurf, grob verkehrswidrig und rücksichtslos gefahren zu sein, sei nicht haltbar. „Im Notfall gelten nur allgemeine Vorsichtskriterien“, so der Jurist. „Das wäre das erste Urteil in dieser Art in Deutschland.“ Der Anwalt und sein Mandant sehen ein grundsätzliches Problem für alle Einsatzkräfte. Seit 23 Jahren fahre Hatz nun Notarzteinsätze, bis heute habe er keinen Eintrag in Flensburg. „Ich gefährde mich ja hochgradig selber, wenn ich zu schnell fahre“, sagt er.

Das Bayerische Rote Kreuz will sich zum laufenden Verfahren nicht äußern, stellt aber fest: „Blaulichtfahrten sind Einsatzfahrten mit Sonderrechten. Wir erwarten, dass diese Sonderrechte im Straßenverkehr sowohl von den anderen Verkehrsteilnehmern beachtet werden als auch von unseren eigenen Mitarbeitern vorsichtig damit umgegangen wird. Schließlich sind wir auch mit Sonderrechten im Interesse von kranken und verletzten Personen unterwegs und wollen niemanden gefährden.“ Alle Fahrer seien darauf trainiert, die Straßenverkehrsordnung einzuhalten. „Wir erwarten aber auch von den anderen Teilnehmern am Straßenverkehr Rücksichtnahme auf den schwierigen und belastenden Job unserer Einsatzkräfte. Keiner unserer Mitarbeiter gefährdet andere im Einsatz bewusst“, erklärt Pressesprecherin Hanna Hutschenreiter von der Landesgeschäftsstelle.