München
Justiz in Erklärungsnot

Der Nürnberger Gustl Mollath sitzt seit Jahren in der Psychiatrie – zu Unrecht?

13.11.2012 | Stand 03.12.2020, 0:50 Uhr
Beate Merk −Foto: dk

München (DK) Justizministerin Beate Merk (CSU) hat Rücktrittsforderungen im Fall Gustl Mollath zurückgewiesen. Ein Gericht hatte den Nürnberger 2006 nach Schwarzgeldvorwürfen gegen Mitarbeiter der Hypo-Vereinsbank in die Psychiatrie eingewiesen. Ein internes Bankgutachten gibt ihm nun recht.

Das Bankgutachten lässt massive Zweifel am Vorgehen der Justiz aufkommen. Der parlamentarische Geschäftsführer der Freien Wähler, Florian Streibl, forderte gestern den Rücktritt von Justizministerin Beate Merk. „Merk ist überführt“, sagte Streibl. Sie habe „offenbar wissentlich“ versucht, das Parlament zu täuschen. Im Rechtsausschuss habe sie nicht die Wahrheit gesagt, obwohl ihr der Bankbericht schon hätte bekannt gewesen sein müssen. Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth habe den Bericht schon Ende 2011 erhalten. Merk hatte im Ausschuss vor einigen Monaten gesagt, die Untersuchungen hätten die Vorwürfe Mollaths „gerade nicht bestätigt“.
 
Der Fall Gustl Mollath beschäftigt die bayerische Politik schon seit Längerem. Mollath erstattete im Dezember 2003 Strafanzeige gegen seine eigene Ehefrau, die damals bei der Hypo-Vereinsbank angestellt war. Ihr und anderen Mitarbeitern warf er vor, mehrere Millionen Schwarzgeld von Kunden illegal in die Schweiz geschafft zu haben. Der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth übergab Mollath einen Ordner mit mehr als 100 Seiten Unterlagen. Der Staatsanwaltschaft reichte das aber nach eigenen Angaben nicht, um Ermittlungen aufzunehmen.
 
Die Hypo-Vereinsbank selbst startete indes eine interne Revision. Nun wurden Details aus dem Abschlussbericht öffentlich. Das Dokument liegt unserer Zeitung vor. In der Zusammenfassung heißt es: „Alle nachprüfbaren Behauptungen haben sich als zutreffend herausgestellt.“ Mollaths Ausführungen seien zwar teilweise „etwas diffus“, zweifellos verfüge er aber über „Insiderwissen“. Bei drei von fünf Mitarbeitern empfehlen die Gutachter, eine Kündigung auszusprechen – darunter auch Frau Mollath.
 
Trotz des Berichts sitzt Mollath allerdings seit 2006 in der Psychiatrie. Denn seine Frau hatte ihrerseits Anzeige gegen ihn erstattet. Sie warf ihm vor, sie geprügelt und gewürgt zu haben. In dem Verfahren stand es Aussage gegen Aussage. Gustl Mollath wurde nie deswegen schuldig gesprochen. Allerdings erstellte ein Psychiater ein folgenreiches Gutachten. Er attestierte Mollath ein „paranoides Gedankensystem“ – unter anderem bezog sich der Gutachter dabei auf die Schwarzgeldvorwürfe. 2006 entschied das Landgericht Nürnberg-Fürth, Mollath müsse zwangsweise in einer Psychiatrie untergebracht werden.
 
Justizministerin Beate Merk verteidigte sich gestern. „Die Vorwürfe im Fall Mollath sind absurd“, sagte Merk bei einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz. Mollath sitze nicht in der Psychiatrie, weil er eine Strafanzeige erstattet habe. Er sei eingewiesen worden, „weil er schwere Straftaten begangen hat, weil er krank und weil er für die Allgemeinheit gefährlich war“. Grundlage dafür sei das Urteil von „hoch anerkannten“ Psychiatern gewesen. Für die Beurteilung Mollaths hätten dessen Schwarzgeldvorwürfe keine entscheidende Rolle gespielt, sagte Merk.
 
Sie rechtfertigte auch das Vorgehen der Staatsanwaltschaft. Mollaths Unterlagen hätten für einen rechtsstaatlichen Anfangsverdacht nicht ausgereicht, sagte Merk. Die Ministerin betonte: „Es gab keine Weisung der Politik an die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth, im Fall Mollath nicht zu ermitteln.“ In Bayern werde „nicht von Schwarzgeldverschiebungen im großen Stil abgelenkt“. Ihre Äußerungen im Rechtsausschuss hätten sich auf strafrechtlich relevante Vorgänge bezogen. Diese habe es bei den Mitarbeitern der Hypo-Vereinsbank nicht gegeben. Es habe sich nur um „arbeitsrechtliche Verstöße“ gehandelt. Die Bank bestätigte diese Darstellung gestern.
 
Gleichwohl wird der politische Streit um den Fall Mollath heute fortgesetzt. Wegen eines Dringlichkeitsantrags der Opposition debattiert der Landtag über das Thema.