München
"Es gibt mehr Befürworter als Gegner"

Vor dem Bürgerentscheid über die dritte Startbahn verteidigt Münchens OB Christian Ude die Pläne

12.06.2012 | Stand 03.12.2020, 1:24 Uhr

Christian Ude hofft, dass die Befürworter des Flughafenausbaus den Bürgerentscheid gewinnen. Sollten die Gegner eine Mehrheit bekommen, will der Münchner Oberbürgermeister aber in der Gesellschafterversammlung des Flughafens gegen die dritte Startbahn stimmen. Dann wäre das Milliardenprojekt gescheitert - Foto: dapd

München (DK) Braucht der Flughafen München, der zwischen Erding und Freising liegt, eine dritte Start- und Landebahn? Christian Ude meint: Ja. Trotz Vollbeschäftigung dürfe die Region sich „nicht auf ihren Lorbeeren ausruhen“, sagt der Münchner Oberbürgermeister. Unser Redakteur Til Huber hat mit dem SPD-Politiker gesprochen.

Herr Ude, am Sonntag entscheiden die Bürger der Landeshauptstadt über den Flughafen. Was sagt Ihnen Ihr Gefühl als Bürgerking von München?

 Christian  Ude: Mein Gef ühl sagt mir, dass es mehr Befürworter gibt als Gegner. Die Gegner haben aber in den letzten Monaten zahlenmäßig zugelegt. Der Erfolg hängt ausschließlich davon ab, welche Seite besser mobilisiert.

 

Sie sehen das Rennen noch völlig offen?

Ude: Ja, ich halte die Entscheidung für völlig offen. Deshalb kann ich nur an alle Münchnerinnen und Münchner appellieren, abzustimmen. Die Ausrede, die da oben machen ja doch, was sie wollen, gilt hier nicht. Die Bürgerschaft trifft in einer zentralen Frage die endgültige Entscheidung.

 

Wenn die Bürger für den Flughafen stimmen, geht alles weiter wie bisher. Die Startbahn ist ja längst genehmigt. Was passiert genau, wenn die Münchner sie ablehnen?

Ude: Das bedeutet, dass es keine Zustimmung der Stadt München in den Gremien des Flughafens geben kann.

 

Wäre das Milliardenprojekt dritte Startbahn dann endgültig gescheitert?

Ude: Es wäre das Ende für das Projekt. Und das nicht nur für ein Jahr, für das uns das Bürgervotum gesetzlich bindet, sondern für den absehbaren Zeitraum. Wir entscheiden nicht über künftige Generationen, aber in dieser und der nächsten Amtsperiode kann ich mir kein anderes Votum vorstellen.

 

Für den Bürgerentscheid gilt ein Quorum. Zehn Prozent der Wahlbevölkerung müssen zur Abstimmung gehen. Was ist, wenn die Mehrheit die Startbahn zwar ablehnt, das Quorum aber nicht erreicht wird?

Ude: Wenn das Quorum nicht erreicht wird, ist laut Gesetz auch keine Entscheidung zustande gekommen. Dann bleibt es bei den Beschlusslagen im Münchner Stadtrat, der für den Ausbau votiert hat. Das wäre aber ein sehr unerfreuliches Ergebnis. Die befriedende Wirkung eines Bürgerentscheids bliebe dann aus.

 

Sie kann auch ausbleiben, weil die Flughafenanwohner in Erding und Freising gar nicht abstimmen dürfen. Kritiker halten die Entscheidung in München für wenig aussagekräftig . . .

Ude: Die Kritiker haben einerseits recht, aber andererseits vollkommen unrecht. Natürlich ist es unbefriedigend, wenn die Nachbarn des Flughafens nicht abstimmen. Aber es geht um die Frage, ob die Vertreter der Stadt München zustimmen sollen oder nicht. Darüber kann nur die Münchner Bevölkerung entscheiden. Diesen Weg haben die Flughafengegner mit dem Bürgerbegehren selbst gewählt.

 

Geht es, wie von vielen Startbahnfreunden behauptet, bergab mit München und der Region, wenn die Bürger gegen den Ausbau stimmen?

Ude: Dann gäbe es Kapazitätsengpässe auf dem Flughafen, die wir schon jetzt bei Stoßzeiten erleben. Wachstumsimpulse würden ausbleiben. Und Arbeitsplätze für Einpendler aus einem großen Einzugsbereich würden fehlen. Das wäre eine Dämpfung der wirtschaftlichen Entwicklungsmöglichkeiten.

 

In München und in den Flughafenlandkreisen herrscht quasi Vollbeschäftigung. Braucht man da noch mehr Wachstum?

Ude: Es geht um eine Fortsetzung der Entwicklung. Ich halte es für eine naive Vorstellung, zu sagen: Jetzt ist aber Schluss mit Wachstum, jetzt dürfen sich hier keine Menschen und keine Unternehmen mehr ansiedeln. Das geht auch gar nicht in einem Europa der Freizügigkeit. Es geht um die Frage: Will die Region wettbewerbsfähig bleiben, oder will sie sich auf ihren Lorbeeren ausruhen. Es geht nicht nur um Arbeitsplätze für Menschen aus München, Erding und Freising, sondern für Menschen aus ganz Altbayern – bis weit nach Schwaben und Ostbayern.

 

Aber was sagen Sie den Menschen, die in der Region schon jetzt kaum noch bezahlbare Wohnungen finden?

Ude: Das klingt ja so, als ob Regionen ohne Wachstum glücklich wären. Dabei geht dort die nackte Verzweiflung um. Wir haben ja in Deutschland Regionen ohne Wachstum, in denen der Wegzug stärker ist als der Zuzug. Die Menschen sind aber dort nicht glücklich, sondern sie versuchen einen Job in München zu finden.

 

Die Flughafengesellschaft hat im ersten Quartal dieses Jahres eine rückläufige Zahl an Starts und Landungen gemeldet. Was macht Sie so sicher, dass in Zukunft tatsächlich so viel mehr geflogen wird?

Ude: Ich bin seit über 20 Jahren im Aufsichtsrat der Flughafengesellschaft und ich erlebe seitdem, dass die tatsächliche Entwicklung langfristig die Prognosen immer übertroffen hat. Gerade auch in München. Es ist kein Wunsch der Flughafengesellschaft, sondern der Menschen, mobiler zu sein. Sie wollen fliegen. Dem muss die Infrastruktur gerecht werden.

 

Ministerpräsident Horst Seehofer schließt einen Volksentscheid in ganz Bayern zu dem Thema nicht aus, wenn es auch nach der nächsten Landtagswahl noch nicht befriedet sein sollte. Sind Sie auch dafür?

Ude: Das wäre politisch wünschenswert. Aber alle Juristen kommen zu dem klaren Ergebnis, dass eine Sachentscheidung nicht Gegenstand eines Volksentscheids sein kann. Man wird Horst Seehofer daran messen müssen, ob er tatsächlich einen Volksentscheid herbeiführt. Wenn er das im Gegensatz zu allen Juristen für möglich hält, möge er der Bevölkerung endlich reinen Wein einschenken, wie dieser aussehen soll. Das ist wieder einmal eine Seifenblase ohne jegliche Substanz.