München
Eiszeit in der CSU

Die Nachfolgedebatte um Horst Seehofer ist eingefroren Nicht nur in seinem Stimmkreis wird gerätselt, wie es weitergeht

04.05.2016 | Stand 02.12.2020, 19:51 Uhr

München/Neuburg (DK) Schrobenhausen glaubt an ein "Nein", Neuburg hofft auf ein "Ja": Die Frage nach einer erneuten Kandidatur von Horst Seehofer sorgt auch in seinem Stimmkreis für Fragezeichen. Trotzdem hat er es geschafft, dass die Nachfolgedebatten weitgehend aufgehört haben.

Horst Seehofer liebt es, Verwirrung unter Journalisten zu stiften. "Es wird anders kommen als Sie denken", ist so ein Satz den er schon mehrmals in Bezug auf seine Nachfolge als CSU-Chef und Ministerpräsident gesagt hat. Und schon einige Male hat Seehofer angekündigt, dass 2018 für ihn Schluss sei mit Politik - und fast genauso oft hat er genau das mit vieldeutigen Ansagen wieder infrage gestellt. Was also macht der Ministerpräsident bei der Landtagswahl 2018?

Fragt man Landtagsabgeordnete, herrscht derzeit ungewohntes Schweigen. Die sonst recht redselige CSU folgt tatsächlich geschlossen dem Gebot des Chefs. Dieser hatte die Diskussion über seine Zukunft und damit verbundene Hahnenkämpfe um die beste Position im Nachfolgerennen vor einigen Wochen für "eingefroren" erklärt und stattdessen eine kreative Themenoffensive bis zum Sommer gefordert. Und so ist das Wort "Eisschrank", in dem die Debatte liegen soll, ein sehr häufig zu hörendender Begriff, wenn man derzeit nach den Plänen für 2018 fragt. Auch intern sei das derzeit kein Thema, sagt ein Kabinettsmitglied. Weder in der Fraktion noch in der Riege der Kabinettsmitglieder werde über die seehoferschen Pläne oder irgendwelche anderen Personalbaustellen gesprochen. Lediglich Finanzminister Markus Söder konnte es sich zuletzt bei seinem Auftritt beim Maibockanstich nicht verkneifen, sich als künftigen Ministerpräsidenten zu inszenieren. Ansonsten viel Schulterzucken bei der Landtags-CSU: In München traut sich niemand eine ernsthafte Einschätzung zu, was sich im Kopf des Vorsitzenden abspielt. Seehofer sei "unberechenbar", heißt es in der Fraktion.

Das Wichtigste für ihn ist, dass ein reibungsloser Übergang sichergestellt ist, sagt der Parteivorsitzende immer wieder. Das Trauma des Putsches gegen Seehofers Vorvorgänger Edmund Stoiber sitzt immer noch tief in der CSU. Der anschließende Verlust der absoluten Mehrheit, sinkender Rückhalt in der Bevölkerung - das will die Partei nie mehr erleben.

Deshalb kann sich Seehofer im Moment relativ sicher sein, dass die Nachfolger vielleicht mit den Hufen scharren, aber keinen Frontalangriff auf ihn wagen. Zumal die Meinungsumfragen der CSU trotz der Stärke der AfD derzeit weiterhin die absolute Mehrheit voraussagen. Die Erfolgsaussichten bei der kommenden Landtagswahl könnten auch zum Weitermach-Kriterium Seehofers werden.

Fragezeichen ruft dagegen seine Gesundheit hervor. Zuletzt sorgte bei der Klausur der CSU-Landesgruppe in Wildbad Kreuth die Meldung eines Schwächeanfalls Seehofers für Aufsehen - nicht die erste besorgniserregende Nachricht über dessen Wohlergehen. Seit Seehofer 2002 eine Grippe verschleppte und dann wegen einer Herzmuskelentzündung auf der Intensivstation landete, ruft seine Gesundheit immer wieder Spekulationen hervor. Zudem wird auch Seehofer nicht jünger: Zum Wahltermin im Herbst 2018 wäre er 69 Jahre alt.

Mögliche Nachfolger gibt es viele. Mehr als ein halbes Dutzend Namen werden in den bayerischen Medien immer wieder genannt - meist aber direkt mit der Einschränkung, dass am Ende doch alles auf Söder hinauslaufe, weil den anderen Kandidaten ein Makel anhafte. Staatskanzleichef Marcel Huber: zu brav. Innenminister Joachim Herrmann: zu sehr im Schatten Söders. EVP-Fraktionschef Manfred Weber: in Bayern zu unbekannt. Ex-Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg: zu viel verbrannte Erde hinterlassen. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt: zu mautbelastet. Immerhin Wirtschaftsministerin Ilse Aigner (Prädikat: ebenfalls zu brav) wagte sich vor dem "Eisschrank"-Machtwort aus der Deckung und machte ihren fast schon vergessenen Machtanspruch deutlich.

Letztlich hängt auch dieser aber von Seehofers Entscheidung ab. Und der Ministerpräsident sagt derzeit ebenfalls nichts zu Personaldebatten. Stattdessen kommt immer wieder der Verweis auf die vergangenen Wahlen. Das schwache Abschneiden der Union hat ihm einen Schock versetzt, daraus macht Seehofer keinen Hehl. Daher plädiert er unentwegt dafür, sich auf Sachpolitik zu konzentrieren. Alles andere sei "nicht klug".

An einer Feststellung gibt es dennoch kaum Zweifel - Seehofers vorrangiges Ziel lautet: Söder verhindern. Ob der Amtsinhaber dafür auch selbst noch einmal antreten würde, dazu gehen an der Basis die Meinungen auseinander - auch in Seehofers Stimmkreis Neuburg-Schrobenhausen. Im Schrobenhausener Raum steht bisher genau eine Aussage Seehofers im Raum: dass er nicht mehr weitermacht. Das habe er bei diversen Anlässen so erklärt, heißt es aus Parteikreisen. "Aber wir kennen ja Horst Seehofer", ergänzt ein Parteifunktionär, der nicht namentlich zitiert werden will, mit einem breiten Grinsen. Sprich: In Stein gemeißelt ist da noch nichts.

In der Neuburger CSU überwiegt das Prinzip Hoffnung auf eine weitere Seehofer-Amtszeit, denn "er hat einen guten Job gemacht", sagt ein namhafter Parteivertreter. Zu viel steht noch auf der Agenda, um auf Seehofers Hilfe zu verzichten: der Ausbau der B 16, eine zweite Donaubrücke in Neuburg, die Umwandlung der Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber in einen Hochschulcampus. "Ich habe keine Ahnung, was er machen wird. Es ist auch noch zu früh, um darüber zu spekulieren, aber für uns und für Bayern wäre es das Beste, wenn er nochmals antreten würde", sagt ein anderer. Dass man in Neuburg-Schrobenhausen auf ein Zeichen aus München wartet, mag auch erklären, weshalb dort die Nachfolge des Stimmkreisabgeordneten noch kein Thema ist. Mögliche Kandidaten für das Direktmandat halten sich derzeit noch zurück.

Vor der Landtagswahl 2018 stehen aber noch mehrere wichtige Zwischenstationen auf dem Plan. Zunächst die Bundestagswahl 2017, für die die CSU einen neuen Spitzenkandidaten braucht. Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt will nicht mehr antreten. Es folgt der CSU-Wahlparteitag, auf dem Seehofer eigentlich den ersten Teil seiner Macht abgeben wollte. Ob es so kommt, weiß er vermutlich selbst noch nicht.