München
Arif Tasdelen ist erster türkischstämmiger Landtags-Abgeordneter

17.09.2013 | Stand 02.12.2020, 23:39 Uhr
Arif Tasdelen will ein Vorbild für andere Migranten sein. −Foto: Daniel Karmann (dpa)

München (DK) Arif Tasdelen kommt über die SPD-Liste in Mittelfranken in den Landtag. Als Direktkandidat in Nürnberg scheiterte er nur knapp. Im Alter von acht Jahren kam er als Sohn eines Gastarbeiters aus Anatolien nach Deutschland. Der 39-Jährige arbeitet beim Nürnberger Hauptzollamt, ist verheiratet und hat eine Tochter.

Herr Tasdelen, was bedeutet es Ihnen, erster türkischstämmiger Landtagsabgeordneter zu sein?

Arif Tasdelen: Mir bedeutet das sehr viel. Die Lebenswirklichkeit, die auf den Straßen und in der deutschen Nationalmannschaft herrscht, zieht nun auch ein Stück weit in den bayerischen Landtag ein.

 

In vielen anderen Parlamenten gibt es längst Migranten. Warum nicht im Landtag?

Tasdelen: Es liegt sicher auch an der Integrationspolitik in Bayern. Migranten fühlen sich im Stich gelassen und können sich nicht vorstellen, es bis ins Maximilianeum zu bringen. Die meisten Parteien haben Migranten auch noch nicht für sich als Wählerpotenzial entdeckt.

 

Ist nur die Politik schuld, oder müssen auch Migranten aktiver werden?

Tasdelen: Viele Migranten fühlen sich nicht ernst genommen. Man wird vor Wahlen sehr leicht zum Spielball irgendwelcher Mehrheiten gemacht. Aber die Plätze im Landtag sind natürlich hart umkämpft. Migranten müssen sich auch selbst in den Parteien behaupten. In der SPD haben wir schon über freiwillige Quoten gesprochen. Aber letztlich sind das auch nur Willensbekundungen.

 

Könnten Sie ein Vorbild sein?

Tasdelen: Meine Kandidatur hat dazu geführt, dass viele Migranten mitgefiebert haben. Dass sie Nachrichten verfolgt haben und zur Wahl gegangen sind. Ich erlebe täglich, dass Migranten mir sagen: Wir sind stolz auf Sie. Sie sind der Beweis dafür, dass man es weit bringen kann, wenn man hart arbeitet.

 

Wie haben Sie es geschafft?

Tasdelen: Ich habe mich nie entmutigen lassen, bin immer am Ball geblieben. Ich bin mit acht Jahren nach Deutschland gekommen. Am nächsten Tag kam ich in die Schule. Die ganz harte Keule des Fremdseins. Ich habe schnell gemerkt, dass man nur erfolgreich sein kann, wenn man ein Teamspieler ist und sich nicht versteckt.

 

Sie sind Zollinspektor. Damit erfüllen Sie nicht gerade das Klischee, das viele Menschen vom türkischstämmigen Migranten haben.

Tasdelen: Das stimmt. Im Wahlkampf kamen erst mal auch Leute auf mich zu und haben sich gewundert, dass ich so gut Deutsch spreche. Da musste ich viel Eis brechen, viele Vorurteile widerlegen.

 

Wollen Sie im Landtag Integrationspolitik machen oder harte Themen wie Innere Sicherheit?

Als Zollinspektor kenne ich den Sicherheitsapparat in Bayern jedenfalls gut. Auch Bildungsgerechtigkeit ist einer meiner Schwerpunkte. Ich habe selbst erlebt, dass jemand, der nicht zur obersten sozialen Schicht gehört, in der Schule manchmal allein gelassen ist. Ich werde aber auch um Integrationspolitik nicht herumkommen. Wenn es hilft, dass sich Migranten und aufnehmende Gesellschaft annähern, wäre mir auch das eine Freude.

 

Interview: Til Huber