München
"Wir können acht Prozent erreichen"

Wirtschaftsminister Zeil über Chancen der FDP bei der Landtagswahl und seinen Kurs bei Schlecker

04.04.2012 | Stand 03.12.2020, 1:38 Uhr

Optimistisch: Martin Zeil sieht die FDP auch nach der Wahl 2013 noch im bayerischen Landtag. - Foto: Strisch

München (DK) In der vergangenen Woche stand der bayerische Wirtschaftsminister Martin Zeil plötzlich bundesweit im Fokus. Er weigerte sich, eine Transfergesellschaft für die Mitarbeiter des Schlecker-Konzerns mit Steuergeld mitzutragen. Im Interview mit unserem Redakteur Til Huber verteidigt er seine Haltung. Den nächsten Landtagswahlen sieht er optimistisch entgegen – sofern die FDP weiter klare Kante zeigt.

Herr Zeil, in Nordrhein-Westfalen liegt die FDP in den Umfragen bei vier Prozent. Haben Sie dem dortigen Spitzenkandidaten Christian Lindner schon zu den guten Werten gratuliert?

Martin Zeil: Ich bin fest davon überzeugt, dass wir in Nordrhein-Westfalen und in Schleswig-Holstein sicher in den Landtag kommen. Die FDP ist in beiden Bundesländern auf einem sehr guten Weg.

 

Eigentlich war die Frage scherzhaft gemeint. Von 14 Prozent bei der Bundestagswahl auf vier Prozent: Das ist auch für die FDP ein beispielloser Absturz. Was ist passiert?

Zeil: Die FDP hat zum Beispiel beim Thema Steuersenkungen den Mund zu voll genommen hat. Und die Regulierung der Finanzmärkte – ein liberales Kernthema – haben wir auf Bundesebene nicht rechtzeitig auf unsere Agenda gesetzt. Auch auf die Sorgen der Bevölkerung im Zusammenhang mit der Schuldenkrise hätten wir schneller reagieren müssen.

 

Bei wichtigen Symbolthemen steht die FDP als Bremserin da. Bei der Finanztransaktionssteuer, beim Umgang mit insolventen Unternehmen, bei der Beschaffung von CDs mit Daten von Steuerbetrügern . . .

Zeil: Einspruch! Man kann doch nicht die eigenen Grundüberzeugungen aufgeben, bloß weil manche Dinge nicht so populär und schwierig zu erklären sind. Wer glaubt, dass die großen Finanzspekulanten die Finanztransaktionssteuer bezahlen, der glaubt auch, dass die Mineralölsteuer von den Ölmultis bezahlt wird. Wenn man da nicht international vorgeht, weichen Spekulanten auf andere Standorte aus. Man darf nicht alles in einen Topf werfen.

 

Dann trennen Sie es.

Zeil: Die FDP muss gerade bei der Frage, wie weit der Staat in einer sozialen Marktwirtschaft eingreifen soll, Position beziehen. Das ist seit 64 Jahren unser ureigenes Thema. Der Staat darf in einem Fall wie Schlecker nicht so tun, als könne er Managementfehler einfach wettmachen und den Steuerzahler dafür in Haftung nehmen.

 

Dass Sie mit Ihren Positionen weit neben dem Zeitgeist liegen, nehmen Sie in Kauf?

Zeil: Ich kämpfe ja nicht um 100 Prozent der Bevölkerung. Ich kämpfe um die Zustimmung derjenigen, die ein selbstbestimmtes Leben führen wollen und offen sind für eine Politik, die nicht allen alles verspricht und den Staat nicht überhöht.

Haben diese Menschen denn auch Verständnis dafür, dass der Generalsekretär ihrer Partei die Schweiz in Schutz nimmt, wenn sie deutsche Steuerfahnder verhaften möchte? Weil die eine CD mit Daten von Steuersündern gekauft haben, die von Schweizer Banken gedeckt werden.

Zeil: Der Rechtsstaat Bundesrepublik Deutschland darf nicht mit Kriminellen, also Hehlern, die mit den illegalen Bankdaten handeln, zusammenarbeiten. Die Schweiz ist keine Bananenrepublik. Das Land hat Anspruch auf Achtung und sollte nicht mit dieser Steinbrückschen Kavallerie-Arroganz überzogen werden.

Der FDP droht auch noch ein massiver Konflikt um die Vorratsdatenspeicherung. Die EU-Kommission und die Union erhöhen den Druck, die massenhafte Speicherung privater Telekommunikationsdaten wieder einzuführen.

Zeil: Mir kommt das momentane Verhalten der EU sehr inszeniert vor. Der Druck kommt zu einer Zeit, in der noch gar nicht klar ist, wie die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung am Ende überhaupt aussieht. Wir haben die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zu beachten, die nicht durch die EU ausgehebelt werden können. In diesem Korridor hat die Bundesjustizministerin einen klaren Vorschlag gemacht. Ich sehe eher eine Verweigerung der Union, sich darauf konstruktiv einzulassen. Die Union verbeißt sich in Maximalpositionen und versteckt sich hinter der EU. Die FDP steht uneingeschränkt hinter der Bundesjustizministerin.

 

Wie nennen Sie eigentlich Ihren Parteivorsitzenden Rösler. Philipp oder bei seinem Spitznamen „Fipsi“, wie er in Berlin offenbar genannt wird?

Zeil: Wir  nennen uns beim Vornamen, nicht beim Spitznamen. Ich schätze Philipp Rösler und arbeite sehr gut mit ihm zusammen.

 

Aber trauen Sie ihm auch zu, dass er das Ruder bis 2013 noch rumreißt?

Zeil: Ja. Ich habe ihn auf dem Parteitag auch gewählt.

 

Was passiert, wenn die Landtagswahlen in NRW und Schleswig-Holstein verloren gehen?

Zeil: Die gehen nicht verloren. Wir sind im Aufwärtstrend und der muss jetzt genutzt werden.

 

Ministerpräsident Horst Seehofer setzt offenbar nicht mehr auf Sie als künftigen Partner. Sonst hätte er Sie bei Schlecker nicht so scharf angegriffen.

Zeil: Den Eindruck habe ich ganz und gar nicht. Das wäre auch sehr verwunderlich, weil die Staatsregierung sehr erfolgreich arbeitet. Die CSU weiß, dass sie keine absolute Mehrheit mehr erreichen wird. Die Leute wollen nicht mehr zurück in die Zeiten der Alleinherrschaft.

 

Seehofer sagt ganz offen, dass er sich immer wieder mit dem Chef der Freien Wähler Hubert Aiwanger unterhält.

Zeil: Ich unterhalte mich gelegentlich auch mit Hubert Aiwanger. Aber ich führe mit ihm natürlich keine Koalitionsgespräche, und ich bin mir sicher, dass der Ministerpräsident dies auch nicht tut.

 

Was kann die FDP in Bayern 2013 erreichen?

Zeil: Ich rechne damit, dass die FDP sich bis Anfang 2013 auch im Bund erholt haben wird. Darauf können wir dann aufbauen. Wir gehen in Bayern mit Voraussetzungen in den Wahlkampf, die es noch nie gegeben hat. Als Regierungspartei mit zwei Schlüsselministerien. Ich sehe durchaus die Chance, dass wir unser letztes Ergebnis mindestens erreichen, wenn nicht sogar toppen können.