München
Zitterpartie um Kraftwerk Irsching

Warum die Betreiber den hochmodernen Gasmeiler abschalten wollen – und die Politik in der Pflicht sehen

05.03.2013 | Stand 03.12.2020, 0:25 Uhr
Das Kraftwerk Irsching −Foto: Kügel

München (DK) Die Lage ist ernst. Das machen die Betreiber des Gaskraftwerks Irsching deutlich. Bis Ende des Monats müsse die Politik erklären, wie der Kraftwerksblock 5 rentabel weiterbetrieben werden kann, sagt ein Sprecher des Energiekonzerns Eon. „Wenn eine Lösung nicht gefunden werden kann, dann müssen wir das Kraftwerk aus wirtschaftlichen Gründen stilllegen.“ Ähnlich äußern sich die vier kleineren Mitbetreiber. „Die Grunddrohung steht im Raum, bis eine Lösung gefunden wird“, sagt der Nürnberger Oberbürgermeister Ulrich Maly (SPD). Er ist Aufsichtsratschef der städtischen Gesellschaft „N-Ergie“.

Leere Drohungen sind das nicht. Hinter den Kulissen wird das Aus für die Anlage, die den Betreibern derzeit Verluste einbringt, ernsthaft erwogen. Da wird deutlich: Die Unternehmen sind bereit, Konsequenzen zu ziehen aus der als chaotisch empfundenen Politik bei der Energiewende. Am Standort Irsching, von dem Wirtschaftsminister Martin Zeil (FDP) sagt, er sei „systemrelevant für die bayerische Energieversorgung“, könnte auch ein Exempel statuiert werden.

Erst 2010 war Irsching 5 in Vohburg eröffnet worden. Zusammen mit dem ebenfalls hocheffizienten Block 4 gilt die Anlage als eine der modernsten weltweit. Auch Irsching 4 ist von der Stilllegung bedroht. Denn die Betreiber machen nach eigenen Angaben mit den Anlagen Verlust. Grund ist offenbar vor allem die Umstellung auf erneuerbare Energien. Weil Strom aus Sonne und Wind gesetzlich Einspeisevorrang ins Netz genießen, laufen Anlagen, die mit Gas und Kohle betrieben werden, deutlich seltener als früher. Trotzdem werden sie dringend gebraucht.

Sonne und Wind liefern nicht zuverlässig. Vor allem in langen Wintern wie derzeit kann es zu Engpässen kommen. Als noch alle Atomkraftwerke (AKW) am Netz waren, war das kein Problem. Sie konnten jederzeit einspringen. Nun werden sie aber nach und nach abgeschaltet. 2015 fällt mit Grafenrheinfeld das nächste bayerische AKW weg. Zunehmend müssen Kohle- und Gaskraftwerke Engpässe ausgleichen. Moderne Gaskraftwerke sind deutlich umweltfreundlicher als alte Kohlekraftwerke. Deshalb sieht unter anderem das bayerische Energiekonzept den Bau neuer Gasanlagen vor. Aber nicht nur der Vorrang für Ökostrom durchkreuzt die Pläne.

Auch umweltschädlicher Kohlestrom verdrängt die Gasenergie. Grund sind Mängel beim europaweiten Handel mit Verschmutzungsrechten. Wenn Fabriken oder Kraftwerke Kohlendioxid ausstoßen, müssen sie beim Staat Verschmutzungszertifikate kaufen. Deren Gesamtmenge ist in Europa begrenzt. Die Idee: Wenn schmutzige Anlagen Zertifikate kaufen müssen, ist das ein Wettbewerbsvorteil für sauberere Kraftwerke. Theoretisch müsste also Gasstrom gegenüber Kohlestrom im Vorteil sein. Doch der Handel mit CO2-Zertifikaten ist aus dem Ruder gelaufen. Sie sind derzeit viel zu billig. Kohlekraftwerke können also weiter günstig produzieren. Und die Politik tut nach Meinung vieler zu wenig dagegen. Aber wo soll dann bis Ende März eine Lösung herkommen?

Die Politik will es den Betreibern schmackhaft machen, moderne Anlagen wie Irsching am Netz zu lassen – wenigstens als Reserve. Dafür müsste ihnen der Staat Kosten erstatten. Das Bundeswirtschaftsministerium bastelt gerade an einer Verordnung, in der das geregelt werden soll. „Hier wird mit Hochdruck daran gearbeitet“, sagt eine Sprecherin. Hinter den Kulissen wird um die Höhe der Kompensation kräftig gefeilscht. Dass es am Standort Irsching weitergeht, scheint noch nicht ganz ausgeschlossen. Vor allem die rund 60 Beschäftigten werden darauf hoffen.

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