München
Wenn die Freigeister tanzen

Atheisten planen Partys am Karfreitag Kirchen sprechen von "taktloser Provokation"

10.04.2017 | Stand 02.12.2020, 18:19 Uhr

Sie sind so frei: Assunta Tammelleo, stellvertretende Vorsitzende des Bundes für Geistesfreiheit in München, mit ihren Regensburger Mitstreitern Gerhard Wolf (links) und Armin Schmid. - Foto: Jädicke

München/Regensburg (DK) Feiern am Karfreitag - das galt bis vor Kurzem in Bayern nicht nur als anstößig. Es war auch gesetzlich verboten. Nun lädt der Bund für Geistesfreiheit in München und in Regensburg zu "Heidenspaß-Partys" und zum "Freigeister-Tanz". Ganz legal.

Für das Recht, auch am Karfreitag der eigenen Weltanschauung folgen zu können, hat der Bund für Geistesfreiheit (BfG) fast zehn Jahre gekämpft, durch alle juristischen Instanzen hindurch. Im November 2016 erklärte das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die bayerische Sonderregel in Artikel 5, Halbsatz 2 des Feiertagsgesetzes (FTG) für nicht verfassungsgemäß. "Der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage bleiben als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung gesetzlich geschützt." Davon rückt auch das BVerfG in seinem Urteil nicht ab. Die besonders restriktive bayerische Variante für den Karfreitag hat es jedoch gekippt.

Grund genug für den BfG, die neu gewonnene Freiheit ausgiebig zu feiern. Der "Heidenspaß-Party" im Münchner Oberangertheater und dem "Freigeister-Tanz" in vier Regensburger Kneipen steht nun nichts mehr im Wege. Alles unter dem Motto "Heidenspaß statt Höllenqual" und nach den Grundsätzen von Aufklärung und Humanismus.

2007 hatte die stellvertretende Vorsitzende des BfG in München, Assunta Tammelleo, die erste "Heidenspaß-Party" organisiert. Der musikalische Teil wurde verboten. Zur Überwachung schickte der Freistaat Polizisten und den Verfassungsschutz. Dazu drohte er dem Verein das höchstmögliche Bußgeld von 10 000 Euro an, sollte dieser gegen die Auflagen verstoßen. "Die untere Bußgeldgrenze von 150 Euro hätte es auch getan", sagt Tammelleo.

Begründung waren stets die christlich geprägte Kultur und der Verweis auf die gängige Rechtsprechung. Bis heute ist Tammelleo eher fassungslos: "Es kann doch nicht sein, dass wir, im 21. Jahrhundert, in einem demokratischen Rechtsstaat, in einem Raum, zu dessen Betreten niemand gezwungen wird, auf ein Bekenntnis Rücksicht nehmen müssen, das wir nicht teilen." Die Party störe niemanden. "Wir machen ja keine lautstarke Demo vor dem Dom."

Vertreter der beiden großen christlichen Kirchen in Regensburg empfinden die Partys als "taktlose Provokation". Der Dekan der Evangelisch-Lutherischen Kirche, Eckard Herrmann, bedauert das Urteil. "Der Karfreitag ist ein religiöser Feiertag, an dem wir uns des Leides dieser Welt besinnen", sagt er und fährt schweres Geschütz auf. "Wenn IS-Kämpfer unschuldige Menschen enthaupten, können auch Menschen, die der Kirche fernstehen, diesen Tag zur Besinnung brauchen."

Weniger drastisch, aber nicht minder ablehnend äußert sich ein Sprecher des Bistums Regensburg. Angesichts des Urteils fürchte er, "dass weder Entfremdung noch Islamisierung", sondern "tatsächlich wir selbst die Grundlagen unserer kulturellen Identität preisgeben". Der Schutz der stillen Tage sei nur ein Beispiel. Auch als "Freigeister" mag das Bistum die BfG-Mitglieder nicht sehen. Stattdessen heißt es: "Wenn die Geistesfreien feiern wollen, und das mit öffentlicher Relevanz, dann freue ich mich darauf, ihren positiven Anlass kennenzulernen." Den Humanismus reklamiert er indes mit Verweis auf Erasmus von Rotterdam für die Kirche. Er sei eine zutiefst christliche Haltung.

Assunta Tammelleo wiederum empfindet "die Omnipräsenz des christlichen Glaubens" als Provokation. Auch Nicht-Glauben müsse ernst genommen werden, sagt sie. Die Behörden haben die Partys in beiden Städten genehmigt. Wer an der Münchner Party teilnehmen will, muss sich vorher unter www.religionsfreiezone.de" class="more"%> anmelden.