München
Viele Zeugen und brisante Akten

16.04.2015 | Stand 02.12.2020, 21:25 Uhr

 

München (DK) Der Ministerpräsident, Kabinettsmitglieder, hohe Regierungsbeamte, Ärzte und ein Dreifachmörder: Der Untersuchungsausschuss, der die Modellbau-Affäre um Ex-Staatskanzleichefin Christine Haderthauer (CSU) und ihren Mann aufarbeitet, hat eine lange Zeugenliste beschlossen.

Es gab Gesprächsbedarf nach der fünfwöchigen Sitzungspause. Eigentlich waren nur 15 Minuten für den nicht-öffentlichen Teil der Sitzung des Untersuchungsausschusses Modellbau des Landtags eingeplant. Letztlich waren es gestern 65 Minuten, die Beobachter vor verschlossener Tür warten mussten. Die in dieser Zeit gefällten Beschlüsse sind zentral für die weitere Arbeit des Gremiums: Die Ausschussmitglieder verständigten sich darauf, nach Abschluss der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen Christine Haderthauer die entsprechenden Akten beizuziehen. Auch die Disziplinarakten ihres Ehemanns, des Ingolstädter Landgerichtsarztes Hubert Haderthauer, wird das Gremium anfordern.

Vor allem beschlossen die Abgeordneten eine Liste mit 63 Zeugen, die zur Modellbau-Affäre befragt werden sollen, allen voran Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU). Aus seiner aktuellen Regierungsmannschaft sind Justizminister Winfried Bausback und Sozialministerin Emilia Müller dabei, auch Landtagspräsidentin Barbara Stamm und Ex-Ministerin Christa Stewens (alle CSU) sollen geladen werden. Neben Ärzten und Vertretern des Gewerbeamts Ingolstadt stehen auch die Namen der Protagonisten der Affäre auf der Zeugenliste: Hubert Haderthauer sowie Roger Ponton und Friedrich Sager, seine Ex-Mitgesellschafter bei der Firma Sapor Modelltechnik. Besonders gespannt ist man im Ausschuss auf die Angaben des Dreifachmörders Robert S., der für die Firma im Rahmen einer Arbeitstherapie jahrelang hochwertige Modellautos gefertigt hatte.

Im öffentlichen Teil der Sitzung wurden wie bei den vorigen Terminen Maßregelvollzugsleiter an bayerischen Bezirkskliniken befragt. Der Ausschuss will sich zunächst einen Überblick darüber verschaffen, wie in der Forensik in Bayern die Arbeitstherapie üblicherweise gestaltet wird und ob ein direkter Kontakt zwischen Patienten und Auftraggebern wie im Fall Sapor möglich ist.

Die Befragung des ersten Zeugen an diesem Tag, Hans-Peter Volz von der Klinik Schloss Werneck, war noch nicht abgeschlossen, da verbreitete die Grünen-Fraktion über den Kurznachrichtendienst Twitter schon die Nachricht: „Täglich grüßt das Murmeltier: Auch im BKH Schloss Werneck hat der externe Auftraggeber keinen Kontakt zum Patienten.“ Auch die Angaben von Michael Wörthmüller, Forensik-Leiter in Erlangen, deckten sich weitgehend mit den Antworten der übrigen Ärzte. „Es gab schon immer die Regel: Keine Geschäfte mit Patienten“, stellte er klar. Hubert Haderthauer, der S. durch seine Tätigkeit als Psychiater am Bezirksklinikum Ansbach kannte, soll mit dem Patienten angeblich sogar außerhalb des Krankenhauses zum Essen gegangen sein.

Drei weitere Themenkomplexe sollen in den nächsten Monaten folgen: die Arbeitstherapie Modellbau, die Geschäfte der Haderthauers mit der Firma Sapor sowie der Umgang der Ministerin mit der Medienberichterstattung und parlamentarischen Anfragen. Rund 130 Fragen umfasst der Untersuchungsauftrag – nach dem Willen des Freie-Wähler-Abgeordneten Peter Bauer sollen noch einige hinzukommen. Er will zusätzlich eine mögliche steuerrechtliche Sonderbehandlung des Ehepaars Haderthauer durch Ingolstädter Behörden durch den Ausschuss überprüfen lassen.

Die Münchner „Abendzeitung“ hatte kürzlich über eine Analyse eines Wirtschaftsprüfers berichtet, der im Auftrag Pontons die Steuerunterlagen des Ehepaars durchgesehen hatte. Dabei soll er zum Schluss gekommen sein, dass es im Umgang der Finanzbehörden mit dem Ehepaar „Kuriositäten“ gegeben habe. „Das Gleichheitsgebot ist Kern unserer demokratischen Grundordnung“, sagte Bauer unserer Zeitung. „Wir müssen klären: Gibt’s da eine Vorzugsbehandlung“

Ausschuss-Vize Florian Herr-mann (CSU) ließ durchblicken, dass er von einer Ausweitung des Fragenkatalogs nicht viel hält. „Wir haben genug zu tun. Wir müssen überlegen, was der Kern ist“, sagte er. Aufgabe des Ausschusses sei es, die politische Dimension hinter der Affäre aufzuarbeiten. „Wir sind nicht die Staatsanwaltschaft.“